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Taliba.-Sprecher

© dpa

Afghanistan: "Kontaktieren Sie uns" - Die schnelle Propaganda der Taliban

Als am Montag in Afghanistan zwei deutsche Soldaten einem Selbstmordanschlag zum Opfer fielen, war es nicht die Isaf oder der Bundesverteidigungsminister, der die Öffentlichkeit als erster informierte, sondern die Taliban. Denn die haben ein ausgeklügeltes Informationsnetz aufgebaut.

Die Internationale Schutztruppe Isaf benötigte mehr als drei Stunden, um eine Pressemitteilung zum Anschlag auf die Bundeswehr im nordafghanischen Kundus zu verbreiten. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der seinen Urlaub abbrach, äußerte sich erst nach gut zehn Stunden. Sein Ministerium bestätigte bis dahin den Anschlag, schwieg aber eisern zu Opferzahlen und den Umständen des Attentats. Inzwischen war die Nachricht vom Tod zweier deutscher Soldaten weltweit verbreitet. Schneller als Jung und die Isaf waren die Taliban.

Als Jung noch im Flugzeug nach Berlin saß, hatte sie ihre Version der Ereignisse bereits im Internet verbreitet. Der Propagandaapparat der Taliban läuft auf Hochtouren. Deutsche Nachrichtendienste kennen zwar viele der Taliban-Strukturen, die Bewegungen von zum Selbstmord Entschlossenen bleiben aber weitgehend verborgen.

Vieles von dem, was die Taliban auf der Homepage des "Islamischen Emirats Afghanistan" von sich geben, ist übertrieben oder ganz falsch. So stimmte nach dem Selbstmordanschlag vom Montag, der zwei deutsche Soldaten und fünf Kinder das Leben kostete, wie üblich die Opferzahl nicht. Die Taliban verkündeten, zwölf Soldaten der "Invasionsarmee" getötet zu haben. Wie so oft, wenn Zivilisten bei Anschlägen der Taliban sterben, wurden die fünf toten Kinder schlicht den Truppen angelastet: Deutsche Soldaten, hieß es auf der Homepage, hätten nach dem Anschlag das Feuer eröffnet und die Kinder getötet.

Manche Angaben der Taliban stimmen eben doch

Das ist zwar ebenso unglaubwürdig wie die meisten anderen Details in den Taliban-Meldungen. Allerdings stimmen manche Angaben dann eben doch: am Montag etwa, dass es überhaupt einen Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr gab. Die Taliban nannten als Tatort auch dasselbe Dorf wie die afghanischen Behörden. Solche richtigen Einzelheiten, die zuvor oft weithin unbekannt sind, deuten auf eine Verwicklung der Rebellen hin - damit können sie als mögliche Täter nicht ignoriert werden.

Meist reagieren die Aufständischen viel schneller als die Pressesprecher der Isaf oder afghanischer Regierungsstellen. So besetzen die Taliban Themen in den Nachrichtenagenturen und anderen Medien frühzeitig - und finden weite Verbreitung. Die Propagandaarbeit der Taliban ist in den vergangenen Jahren immer professioneller geworden. Zwar zieht ihr Internetauftritt - die "Stimme der Scharia" - regelmäßig um, weil Provider die Seite mutmaßlich auf westlichen Druck immer wieder abschalteten. Doch vom Netz geht die Seite deswegen nicht.

Inzwischen verbreiten die Taliban ihre Propaganda im Internet auf fünf Sprachen. Und sie setzen nicht nur auf das Internet. Sie produzieren auch DVDs, die guten Absatz finden und teils furchtbare Hinrichtungsszenen zeigen. Im nordwestpakistanischen Peshawar sind die Filme auf dem Basar frei erhältlich.

Hinter Ahmadi verstecken sich mehrere Personen

Zudem sind auf der Homepage unter "Kontaktieren Sie uns" neben E-Mail-Adressen auch Handy- und Satellitentelefonnummern ihrer Sprecher aufgelistet. Kari Jussif Ahmadi und Sabiullah Madschahid nennen sich die Sprecher, sie erlangten während der Geiselkrise um die zwei entführten deutschen Ingenieure im vergangenen Jahr makabere Berühmtheit in der Bundesrepublik. Besonders Ahmadi ist im wahrsten Sinne des Wortes schwer zu fassen: Hinter diesem Namen scheinen sich mehrere Taliban zu verbergen, darauf deuten wechselnde Stimmen und Dialekte hin. Die mutmaßliche Strategie: Fasst man einen der Sprecher, tritt der nächste unter dem gleichen Namen an seine Stelle. Ahmadi wird so kaum zum Schweigen gebracht werden können.

In Berlin herrschte am Dienstag nach dem stundenlangen Schweigen des Verteidigungsministeriums Trauer und Wut - vor allem deshalb, weil weder die politische Spitze noch die Generalität ein Rezept haben, wie Anschläge wie der in Kundus verhindert werden können.

Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan schätzte, dass sich im Norden zwischen 30 und 50 Taliban bereithalten, um Anschläge nach dem Muster von Kundus auszuführen. Verteidigungsminister Jung gab zu erkennen, dass in der Vergangenheit Hinweise aus der Bevölkerung geholfen hätten, rechtzeitig einem geplanten Attentat der Taliban vorzubeugen. Jung mahnte in diesem Zusammenhang auch eine Bringschuld der afghanischen Regierung an, deren Arbeit im Bereich der Aufklärung durchaus verbesserungsfähig sei.

Can Merey, Gerd Reuter[dpa]

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