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So sieht die Bundeswehr sich lieber. Deutsche Isaf-Soldaten westlich von Kundus während einer „Schura“ (Ratsversammlung) mit afghanischen Bürgern im September. Der Angriff zwei Jahre zuvor kostete aber gerade Zivilisten das Leben. Ihre Interessen werden auf dem Bonner Gipfel diese Woche nicht zuletzt durch NGOs vertreten. Foto: Sascha Schuermann/dapd

© dapd

Afghanistan-Krieg: Kundus-Hinterbliebene reichen Klage ein

Zwei Jahre nach dem Nato-Angriff auf zwei Tanklaster am Kundus-Fluss fordern die Hinterbliebenen jetzt Schadenersatz. Deutschland soll bis zu 50 000 Euro pro Person zahlen.

Gut zwei Jahre nach dem tödlichen Nato-Luftangriff am afghanischen Kundus-Fluss haben Bremer Juristen jetzt ihre erste, lang erwartete Schadenersatzklage für zunächst zwei Hinterbliebene der Opfer eingereicht. Demnach soll die Bundesrepublik zwischen 40 000 und 50 000 Euro zahlen, wie der deutsch-afghanische Bremer Anwalt Karim Popal dem Tagesspiegel mitteilte. Eingereicht hat Popal die Klage gemeinsam mit dem Juraprofessor Peter Derleder vor dem Landgericht in Bonn, dem Hauptsitz des Verteidigungsministeriums.

Aus Kostengründen, so Popal, klagen die Juristen zunächst nur im Namen von zwei Hinterbliebenen. Weitere Klagen sollen aber folgen, sobald die nötigen Spenden für die Gerichtskosten gesammelt sind.

Im September 2009 hatte der Bundeswehr-Oberst Georg Klein in Afghanistan angeordnet, dass US-Kampfjets zwei von Taliban entführte Tanklastwagen bombardieren sollten. Bei dem Angriff kamen auch Dutzende Zivilisten ums Leben. Laut der Klage befahl Klein den Angriff, obwohl die Piloten selbst davor gewarnt hatten, weil zu viele Zivilisten am Zielort waren. „Dieser Luftangriff erwies sich dann als schlimmstes Blutbad einer Zivilbevölkerung seit 1945, das auf einen deutschen Befehl zurückgeht“, kommentierten Popal und Derleder ihre Klage. Oberst Klein habe damit grob fahrlässig gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, und Deutschland müsse jetzt dafür haften.

Popal vertritt nach eigenen Angaben insgesamt 79 Familien von 113 Getöteten. In der jetzt eingereichten ersten Klage fordert ein 38-jähriger Bauer, der zwei Söhne verloren hat, 40000 Euro Schmerzensgeld. Eine 35-Jährige, deren Mann getötet worden sei, soll 50000 Euro bekommen, damit sie ihre sechs Kinder weiter ernähren kann.

Popal hatte zunächst versucht, Schadenersatz auf dem Verhandlungsweg durchzusetzen. Doch der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg brach die Gespräche im Frühjahr 2010 ab. Ein halbes Jahr später zahlte das Ministerium dann freiwillig jeweils 5000 US-Dollar (damals rund 3600 Euro) an die Familien von 91 Opfern. Laut Popal erhielt die von ihm vertretene Witwe kein Geld, wohl aber der Bauer. Doch sei dieser Betrag viel zu niedrig.

Bereits im April 2010 hatte der Generalbundesanwalt ein Strafverfahren gegen Oberst Klein eingestellt: Er habe subjektiv nicht mit der Anwesenheit von Zivilisten rechnen müssen. Dabei sei seine Sichtweise beim Angriffsbefehl zugrunde zu legen, „nicht ein erst nachträglich erkennbarer tatsächlicher Verlauf“. Beschwerden gegen die Einstellung blieben bisher erfolglos; in Karlsruhe ist laut Popal aber noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

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