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Nato

© AFP

Afghanistan: Nord-Süd-Konflikt

Wer soll in Afghanistans Kampfgebiete? Vor dem Nato-Gipfel streiten die Länder – auch mit den Deutschen.

Berlin - Kurz vor dem Nato-Gipfel in Bukarest Anfang April zeichnet sich keine Lösung im Streit um die Lastenverteilung beim Einsatz in Afghanistan ab. Welchen Fragen sich die Allianz wegen der dort praktizierten Aufgabenteilung stellen muss und was diese für ihre Militärmissionen weltweit bedeuten, machte Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer Anfang des Monats bei der Kommandeurstagung der Bundeswehr klar: „In einer Allianz, in der alle füreinander da sind, kann es keine Arbeitsteilung geben, bei der sich die einen auf das Kämpfen, die anderen auf die Konfliktnachsorge spezialisieren“, sagte er. Wer im Norden Schulen baue, werde genauso zum Ziel der Taliban werden wie die Soldaten, die im Süden direkt gegen sie kämpften. „Das Land wird als Ganzes gewonnen oder als Ganzes verloren.“

Seit dem Sturz der Taliban vor rund sechs Jahren ist die Allianz in Form der Internationalen Schutztruppe (Isaf) mit inzwischen knapp 42 000 Mann vor Ort. Verschiedene Nationen sind für bestimmte Regionen zuständig; zum Beispiel für den umkämpften Süden oder aber für Regionen im vergleichsweise ruhigeren Norden – die im Süden eingesetzten Nationen empfinden das inzwischen als ungerecht.

Was de Hoop Scheffer sagt, spiegelt ein strukturelles Dilemma der Nato wider, mit dem sich die Bündnispartner beim Afghanistan-Einsatz täglich auseinandersetzen müssen: Das Bündnis muss im Auslandseinsatz auf nationale Vorbehalte einzelner Mitglieder gegen bestimmte Teile der Mission Rücksicht nehmen. In Afghanistan haben diese Einschränkungen das Militärbündnis immer wieder an seine personellen und materiellen Grenzen stoßen lassen. Bedeuten sie doch, dass nur ein Teil der in Afghanistan stationierten Soldaten auf Befehl des Isaf-Kommandanten General Dan McNeill auch dort eingesetzt werden kann, wo die Truppenteile gebraucht werden, wie eben zum Beispiel im Süden des Landes.

Die Kanadier, die dort neben Amerikanern, Briten und anderen Nationen stationiert sind, haben ihren Einsatz gerade bis 2011 verlängert – unter der Bedingung, dass andere Nationen ihre Präsenz im Süden erhöhen. Ottawa blickt dabei unter anderem auf Deutschland. Die Deutschen aber, die nach dem Mandat des Bundestags bisher bis zu 3500 Soldaten nach Afghanistan entsenden dürfen und damit drittgrößter Truppensteller sind, fühlen sich offiziell nicht angesprochen.

„Vor Oktober“, sagt der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, „gibt es kein neues Mandat. Das hat die Bundesregierung so entschieden.“ Wenn im Herbst das Parlament erneut darüber entscheidet, würde er es aber befürworten, den „Kräfteansatz von der Entwicklung in Afghanistan abhängig zu machen“: „Dann ist auch eine Erhöhung nicht auszuschließen, zumal das derzeitige Mandat sehr eng gefasst ist.“ Dabei ginge es aber darum, die Soldaten im jetzigen Einsatzgebiet flexibler zu machen, nicht, um sie in großer Zahl in den Süden zu schicken.

Was die aktuellen Forderungen der Bündnispartner nach mehr Truppen betrifft, sieht Klaeden außerdem andere Staaten wie Frankreich oder die Türkei in der Pflicht. Seine Devise für Bukarest: „Selbstbewusst hinfahren mit dem Beitrag, der bereits jetzt geleistet wird, und ohne weitere zusätzliche Leistungen im militärischen Bereich im Gepäck.“

Nur bleibt das von de Hoop Scheffer angesprochene Problem, das Nato-Mitglieder hinter vorgehaltener Hand vor allem den Deutschen anlasten: die gefühlte Trennung in kämpfende und nicht-kämpfende Soldaten. Das Paradoxe dabei ist, dass es in der deutschen Politik vielen durchaus daran gelegen wäre, diesen Eindruck aufrechtzuerhalten. Weil der Afghanistaneinsatz von einer Mehrheit der Bevölkerung ohnehin schon abgelehnt wird, kann man die Bundeswehr als Aufbautruppe im Norden immer noch besser vermitteln als Kampftruppen im Süden Afghanistans. So fordert denn auch der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold, den Afghanen künftig mehr Eigenverantwortung zu übertragen und die Isaf-Mission stufenweise zu reduzieren. Ähnlich äußert sich auch der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU): In etwa fünf Jahren müsse der Zeitplan für einen stufenweisen Rückzug aus Afghanistan absehbar sein, sagt er.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bisher eher kurz und knapp zum Einsatz in Afghanistan geäußert. Zum Engagement der Bundeswehr und mit Blick auf Bukarest hat sie vor kurzem erst wieder den Schwerpunkt der Bundeswehr im Norden betont. Wer sich in der Allianz also Hoffnungen macht, dass Deutschland beim Nato-Gipfel einen größeren militärischen Beitrag anbieten könnte, der dürfte enttäuscht werden. Allenfalls dürfte es nach Bukarest für Afghanistan mehr deutsche Polizeiausbilder und mehr Geld für den Wiederaufbau geben.

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