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Am 7. Oktober 2001 begann unter Beteiligung US-amerikanischer und britischer Truppen die „Operation Enduring Freedom“ in Afghanistan.

© dapd

Afghanistan: Obama bremst Abzug der Truppen

Um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen, sollen mehr US-Soldaten als geplant am Hindukusch bleiben. Verteidigungsministerin von der Leyen begrüßt die Entscheidung

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Nach der Ankündigung der USA, den Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan vorerst zu stoppen, wird es wahrscheinlicher, dass auch die Bundeswehr länger am Hindukusch bleibt als geplant. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte die Entscheidung der USA. „Wir wollen mit unseren Partnern ein Zeichen setzen, dass wir beharrlich an einer Stabilisierung Afghanistans arbeiten“, sagte die Ministerin dem Tagesspiegel und kündigte Gespräche über das weitere Vorgehen in Afghanistan an: „Jetzt können wir mit unseren Partnern der Mission „Resolute Support“ die nächsten Schritte beraten.“ Bereits Ende September hatte die CDU-Politikerin von einer „Besorgnis erregenden“ Lage gesprochen und eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr nicht ausgeschlossen.

Washington will die derzeitige Stärke von etwa 9800 US-Soldaten in Afghanistan für den Großteil des kommenden Jahres beibehalten. Bis Anfang 2017 soll die Stärke auf 5500 Soldaten reduziert werden. Ursprünglich war geplant, dass 2017 nur noch 1000 US-Soldaten in der Hauptstadt Kabul stationiert sind. Nun sollen die amerikanischen Truppen noch an drei weiteren Orten bleiben: in Bagram, Dschalalabad und Kandahar. Die afghanischen Sicherheitskräfte seien „noch nicht so stark wie sie sein müssen“, und die Sicherheitslage am Hindukusch sei „noch immer sehr fragil“, sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag im Weißen Haus. „Ich werde als Oberbefehlshaber nicht zulassen, dass Afghanistan von Terroristen als Rückzugsort genutzt wird, um unsere Nation erneut anzugreifen“, sagte Obama, der an der Seite von Vizepräsident Joe Biden, Verteidigungsminister Ashton Carter und Generalstabschef Joseph Dunford vor die Kameras trat.

Die Taliban sind dagegen entschlossen, weiter gegen die US-Truppen zu kämpfen. Talibansprecher Sabihullah Mudschahid kündigte am Donnerstag an, dass der Dschihad so lange weitergehen werde, „bis der letzte Besatzer vertrieben“ sei.

800 Soldaten der Bundeswehr beteiligt

In Washington war man bemüht zu betonen, dass der Kurswechsel nicht nur eine Reaktion auf die jüngste Offensive der Taliban sei. Der Präsident habe die Entscheidung nach einer „ausführlichen, monatelangen Überprüfung“ der bisherigen Afghanistan-Politik getroffen, hieß es. Obama wollte ursprünglich bis zum Ende seiner Amtszeit 2017 die meisten US-Soldaten nach Hause holen. Dieses Versprechen kann er nun nicht halten.

Die Mission „Resolute Support“, die der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte dient und an der auch die Bundeswehr mit derzeit mehr als 800 Soldaten beteiligt ist, hat Anfang dieses Jahres die internationale Mission Isaf abgelöst. Ursprünglich sollte „Resolute Support“ bis Ende 2016 dauern. Aber angesichts der Sicherheitslage und des jüngsten Vorstoßes der Taliban in Kundus wird in der Nato über eine Verlängerung nachgedacht. Die Taliban hatten die Stadt im Norden Afghanistans zeitweise eingenommen, sie gelten als so stark wie seit 2001 nicht mehr. Die Ereignisse in Kundus warfen ein Schlaglicht auf die prekäre Sicherheitslage im Land. Afghanische Sicherheitskräfte konnten die Stadt erst nach mehreren Tagen mit internationaler Unterstützung zurückerobern.

Deutsche Politiker plädieren für längere Militärpräsenz

Abgeordnete der Koalition in Berlin begrüßten am Donnerstag ebenfalls die Entscheidung Obamas. „Die USA sind der Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen Verlauf der Ausbildungsmission in Afghanistan“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Franz Josef Jung (CDU) dem Tagesspiegel. Zugleich sprach er sich dafür aus, dass auch die Bundeswehr länger in Afghanistan bleibt: „Die Situation in Kundus hat gezeigt, dass es notwendig ist, weiter zu bleiben, auch über Ende 2016 hinaus“, sagte der frühere Verteidigungsminister. Die Dauer des deutschen Engagements in Afghanistan müsse von der Situation abhängig gemacht werden. „Afghanistan muss selbst in der Lage sein, für seine Sicherheit zu sorgen und eine Rückkehr der Taliban an die Macht zu verhindern“, sagte Jung. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, nannte einen längeren deutschen Einsatz in Afghanistan „absolut notwendig“ für die Stabilisierung des Landes. „Es wäre fatal, wenn die Bundeswehr die Stadt Masar-i-Scharif, einen Stabilitätsanker im Norden des Landes, einfach verlassen würde.“

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Entscheidung der Amerikaner. Sie sei ein "wichtiges politisches Signal an die afghanische Bevölkerung: Die internationale Gemeinschaft lässt Afghanistan nicht im Stich", sagte er am Donnerstag in Berlin. Auch Deutschland werde sich weiter engagieren. Zugleich mahnte er größere Anstrengungen der afghanischen Regierung an, die erforderlichen politischen und wirtschaftlichen Reformen voranzutreiben.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sprach von einer „positiven Nachricht aus den USA“, die nun dazu führen müsse, dass „die internationale Gemeinschaft und auch Deutschland ihr Engagement überdenkt“. Röttgen warnte davor, „den zweiten Fehler des Irakkrieges zu wiederholen“, nämlich die militärische Präsenz zu früh abzubrechen.

Hans-Peter Bartels, der Wehrbeauftragte des Bundestags, betonte, er habe Verständnis dafür, dass nun erwogen werde, den Bundeswehreinsatz zu verlängern: „Nicht ewig, aber für einen längeren Zeitraum als bisher gedacht.“ Auch mit Blick auf die große Zahl von Afghanen unter den Flüchtlingen, die derzeit Deutschland und Europa erreichten, sei die Ankündigung der internationalen Truppen, zu bleiben, ein wichtiges Signal, sagte Bartels.

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