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Afghanistan: Rohstoff für Träume

Die Debatte über Afghanistans Bodenschätze kommt den USA gelegen – sie drängt die schlechten Nachrichten in den Hintergrund.

Berlin - Die Nachricht kam zur rechten Zeit. Afghanistan verfügt offenbar über ungeheure Rohstoffvorkommen, die dem Land glänzende Zukunftsperspektiven verheißen. Das hat zu Wochenbeginn die militärischen Entwicklungen erst einmal in den Hintergrund gedrängt: Das Eingeständnis des Kommandeurs der Nato-Schutztruppe, US-General Stanley McChrystal, dass die Offensive der Nato in der Provinz Helmand stockt und der als Entscheidungsschlacht angekündigte Vorstoß in der Talibanhochburg Kandahar bis auf weiteres verschoben wird. Für den internationalen Militäreinsatz in Afghanistan kommt dies einer Bankrotterklärung gleich. Und es gefährdet die Abzugspläne für die ausländischen Truppen.

Vielleicht ist es daher kein Zufall, dass die „New York Times“ gerade jetzt Ergebnisse von vielversprechenden Luftmessungen und Probebohrungen aus Afghanistan verbreitet und US-Regierungsstellen Afghanistan zum „Saudi-Arabien des Lithium“ausrufen, jenem Stoff, der etwa für Akkus und Laptops gebraucht wird. Nur einen Tag nach dem Beitrag vom Montag berichtet das Blatt, Obama laufe Gefahr, zum Ende seiner ersten Amtszeit mehr Truppen in Afghanistan zu haben als zu Beginn. Wer die Logik amerikanischer Politik kennt, der weiß, dass dies keine guten Aussichten für den Präsidenten sind. Erfolgsmeldungen, die noch dazu indirekt eine Legitimation für einen längeren Afghanistaneinsatz bieten, dürften dem Weißen Haus daher höchst gelegen kommen.

Doch wie sensationell sind die Neuigkeiten wirklich? Tatsache ist: Die US-Behörde U.S. Geological Survey hatte die meisten der nun genannten Zahlen zu den afghanischen Rohstoffvorkommen bereits 2007 öffentlich gemacht – ohne auf große Resonanz zu stoßen. Für Volker Steinbach von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover ist das nicht überraschend. „Die Erschließung von Rohstoffen in Afghanistan ist aufwändig und teuer“, sagte er dem Tagesspiegel. Das Land sei politisch instabil und verfüge über keine gute Infrastruktur. Hohe Investitionen und jahrzehntelange Vorbereitungen seien erforderlich. Und: „Die Lithium-Vorkommen in Afghanistan haben im Vergleich zu anderen Lagerstätten, beispielsweise in Australien, nur niedrige Gehalte. Es handelt sich um sogenannte Pegmatitlagerstätten, aus denen die Lithiumgewinnung doppelt so teuer ist wie aus den Lithiumsalzen Chiles.“ Die Bundesanstalt für Geowissenschaften hatte in den 60er und 70er Jahren selbst Studien in Afghanistan durchgeführt, die sich Mitarbeiter des U.S. Geological Surveys vor einigen Jahren in Hannover erläutern ließen.

Doch die US-Forscher legten am Montagabend nochmal nach. Der Geologe Jack Medlin sagte im Pentagon, die Schätzungen, in Afghanistan lägen Rohstoffe im Wert von rund einer Billion Dollar, sei zu niedrig gegriffen. Untersuchungen von 2006 hätten ergeben, dass die Gasvorkommen rund drei Mal so hoch seien, wie vorher angenommen. Die Ölvorkommen seien 15 bis 18 Mal so hoch, wie Experten vor Beginn des Krieges glaubten.

Ein armes Land ist Afghanistan also nicht. Und Kritiker des internationalen Afghanistaneinsatzes haben ohnehin den Verdacht, dort werde für Rohstoffe und nicht gegen die Taliban gekämpft. Bisher hat allerdings eher China vom Reichtum Afghanistans profitiert, indem es sich vor zwei Jahren eine Konzession für den Abbau von Kupfer sicherte. Die USA sprangen erst deutlich später auf den Zug auf. 2009 richtete das US-Verteidigungsministerium eine Task Force ein, die Kabul beim Aufbau der Bergbauindustrie unterstützen soll, inzwischen wurde ein Beratervertrag mit einem US-Unternehmen vermittelt. „Wir hoffen, dass es schon Ende diesen Jahres Rechte öffentlich zu versteigern gibt, für die amerikanische und internationale Unternehmen mitbieten können“, sagte Paul Brinkley, Direktor der Pentagon-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Stabilität in Afghanistan, am Montag.

Für Steinbach hat diese Entwicklung auch positive Aspekte, und er findet „es durchaus wünschenswert, dass sich auch deutsche Unternehmen beteiligen“. „Der Bergbau kann für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Afghanistans einen wesentlichen Beitrag leisten.“ Vorausetzung seien politische Stabilität, gute Regierungsführung und kompetente staatliche Strukturen. Das alles trifft auf Afghanistan freilich bisher nicht zu, weshalb die Gefahr besteht, dass sich ethnische Konflikte durch den neuen Reichtum verschärfen und die Korruption verschlimmert, so wie in Kongo oder Nigeria. Es gibt aber Länder, die aus diesen Beispielen gelernt haben. So lässt Ruanda den Abbau von Coltan und Wolfram zertifizieren. Die beteiligten Betriebe verpflichten sich unter anderem, auf Kinderarbeit zu verzichten und faire Löhne zu zahlen.

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