zum Hauptinhalt

Afghanistan: Rückzug oder Verstärkung

Mehr Tote als im Irakkrieg: In Großbritannien spitzt sich die Debatte über Art und Umfang des Einsatzes in Afghanistan zu.

Britische Politiker und Militärexperten fordern angesichts der wachsenden Verluste in Afghanistan eine deutliche Verstärkung der dort eingesetzten Truppen. Doch der „Independent on Sunday“ meldete am Sonntag unter Berufung auf Quellen im Verteidigungsministerium, Premierminister Gordon Brown plane insgeheim einen Abzug von bis zu 1500 Soldaten nach der Wahl in Afghanistan im August, „um Kosten zu sparen“. Der „Observer“ dagegen meldete, Brown plane eine Verstärkung der britischen Truppen um weitere 2000 Soldaten.

In den blutigsten Wochen seit Beginn des Afghanistankonflikts im Jahr 2001 sind seit Anfang Juli 15 Briten ums Leben gekommen. Die Gesamtzahl der britischen Verluste dort übersteigt nun mit 184 die Zahl von 179 im Irakkrieg gefallenen Soldaten. Rund 9000 Briten sind zurzeit in Afghanistan eingesetzt.

Die wachsende Krise hat der Debatte über den Krieg neue Schärfe gegeben. Während Kriegsgegner den Abzug der Soldaten und den Abbruch des Kriegs fordern, werfen Militärs und Politiker in ihrer Mehrheit der Labourregierung vor, die Truppen in ungenügender Stärke und mit unzureichender Ausrüstung in den Konflikt geschickt zu haben. „Die Leben unserer jungen Frauen und Männer werden weggeworfen, weil unsere Politiker ihre Aufgabe nicht beherrschen“, warnte der Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, in der bisher schärfsten Kritik an der Regierungsstrategie. Nur wenige fordern den Abzug der Truppen, etwa der Labour-Abgeordnete Paul Lynn: „Wir haben den Widerstand durch unseren Einsatz 2006 in Helmand ausgelöst und eine Situation, die gemanagt werden konnte, zu einer Situation gemacht, die wir nicht gewinnen können.“

Premier Brown würdigte in einem Interview mit dem Streitkräftesender am Sonntag die „Opfer“ der Soldaten und bezeichnete den Afghanistankonflikt als „patriotische Pflicht“. Er wisse, dass den Soldaten ein sehr schwieriger Sommer bevorstehe. Nach einem Briefing mit den Kommandanten der Operation „Pantherklaue“ sei er aber überzeugt, dass „beträchtliche Fortschritte“ erzielt würden. Die Afghanistankampagne sei Teil einer „klaren Strategie“, die Straßen Großbritanniens zu schützen, indem Terrornetzwerke in Afghanistan und Pakistan „gesäubert“ würden. Kern der Strategie ist laut Außenminister David Miliband, die afghanischen Streitkräfte selbst in die Lage zu versetzen, ein „Mindestmaß an Stabilität und Sicherheit für ihr eigenes Volk zu garantieren“. Solange dies aber nicht der Fall sei, gebe es für die Briten keine Möglichkeit, „sicher im eigenen Land zu sein“.

Wie US-Präsident Barack Obama warnten britische Politiker vor einem Kollaps Pakistans und der Möglichkeit, dass die pakistanische Atombombe in die falschen Hände gelangen könnte. „Wer würde glauben, dass Fundamentalisten, die Selbstmordbomber ausschicken und mit Al Qaida verbunden sind, diese Bombe nicht einsetzen würden“, warnte der konservative Politiker Patrick Mercer.

Umstritten ist weniger die Strategie selbst als Sparmaßnahmen, mangelnde Ausrüstung der Soldaten und die ungenügende Stärke der eingesetzten Truppen. Armeechef Richard Dannatt war Presseberichten zufolge „außer sich vor Zorn“, dass die Zahl der Soldaten in der Helmand-Provinz nicht wie gewünscht verstärkt wurde.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false