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Von Anfang an hat die Fotografin Anja Niedringhaus den Einsatz der Alliierten in Afghanistan begleitet. Dieses Bild entstand 2002 im Norden des Landes.

© Anja Niedringhaus/dpa

Afghanistan: Schüsse auf die Freiheit

Afghanistan wählt einen neuen Präsidenten. Doch die Gewalt im Land ist allgegenwärtig. Jetzt starb eine deutsche Kriegsfotografin.

Sie wolle sehen, was wirklich passiert, hat sie einmal gesagt. Anja Niedringhaus war eine der bekanntesten Fotoreporterinnen, die in Krisengebieten arbeitete (siehe Kasten). Als erste deutsche Kriegsfotografin erhielt sie 2005 den Pulitzerpreis. Am Freitag wurde die 48-Jährige in Afghanistan erschossen.

Die Hintergründe der Tat sind noch unklar. Niedringhaus hielt sich mit ihrer kanadischen Kollegin Kathy Gannon in oder vor einer Polizeistation in der ostafghanischen Provinz Chost auf, als ein Mann in Uniform mit den Worten „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) auf beide schoss. Niedringhaus war sofort tot, die 60-jährige Gannon wurde schwer verletzt.

Bei dem Schützen soll es sich um den Kommandeur eines Checkpoints vor dem Büro des Distriktgouverneurs gehandelt haben. Er wird verhört. Es gab Gerüchte, dass er sich für einen US-Luftschlag nahe seines Hauses Anfang des Jahres rächen wollte. Die deutsche Botschaft bemüht sich um Aufklärung. Niedringhaus, die aus dem nordrhein-westfälischen Höxter stammte, war eine erfahrene Reporterin, die auch im Irak und in Sarajewo fotografiert hatte. Seit 2002 arbeitete sie für die US-Nachrichtenagentur AP.

Die anhaltende Gewalt straft Hoffnungen Lügen, dass die Lage in Afghanistan sicherer geworden ist. Wenige Monate vor dem Abzug der Nato wählt Afghanistan am heutigen Samstag den Nachfolger von Präsident Hamid Karsai, der nicht mehr antreten darf. Im Westen werden die dritten Wahlen seit Sturz der Taliban vor fast 13 Jahren als Meilenstein gesehen. Sie würden den ersten demokratischen Machtwechsel in Afghanistans Geschichte bedeuten.

Doch Blutvergießen begleitet die Wahlen. Zunehmend scheinen die Taliban auch Jagd auf Journalisten und Ausländer zu machen. Mitte März wurde der schwedische Reporter Nils Horner in Kabul auf offener Straße getötet. Nur wenig später kam der afghanische Journalist Sardar Ahmad ums Leben. Seine Frau und die beiden kleinen Töchter wurden bei einem Anschlag in einem Nobelhotel mit Kopfschüsssen regelrecht hingerichtet.

Bei der Wahl sind acht Kandidaten im Rennen, die Präsident Karsai beerben möchten. Doch nur drei haben wohl eine Chance. Neben dem früheren Finanzminister Ashraf Ghani sind das die beiden Ex-Außenminister Abdullah Abdullah und Zalmai Rassoul. Sollte kein Kandidat mehr als 50 Prozent erzielen, könnte es zu einer Stichwahl kommen.

Ghani und Rassoul sind Paschtunen, die mit 42 Prozent die größte Volksgruppe stellen. An zweiter Stelle folgen mit 27 Prozent die Tadschiken, um die Abdullah wirbt. Laut jüngster, allerdings nicht unbedingt repräsentativer Umfragen werden sich Ghani und Abdullah ein Kopfan-Kopf-Rennen liefern. Ghani führt derzeit mit rund 27 Prozent, gefolgt von Abdullah mit knapp 25 Prozent.

Beobachter sehen in den Wahlen auch ein verdecktes Duell zwischen Karsai und den USA. Offiziell halten sich beide heraus. Doch Experten glauben, dass Washington mit dem Technokraten Ghani sympathisiert, der lange in den USA lebte und bei der Weltbank arbeitete. Auch mit Abdullah könnte Washington sich wohl arrangieren. Weniger glücklich dürfte Amerika mit Rassoul sein, der als Karsais Favorit gilt. Seit der noch amtierende Präsident offen gegen seine alten Gönner rebelliert, ist der frühere US-Günstling in Ungnade gefallen. Die neue Regierung werde viel schwächer als die bisherige sein, glaubt der afghanische Analyst Haroun Mir. „Präsident Karsai wird weiterhin eine prominente Rolle spielen.“

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