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© dpa

Afghanistan: Tödliche Minensuche

Drei Bundeswehrsoldaten sterben bei einem Gefecht mit den Taliban. Ex-Verteidigungsminister Rühe kritisiert den Afghanistan-Einsatz.

Trauer um drei in Afghanistan getötete deutsche Soldaten an Karfreitag: Noch nie seit ihrem Bestehen hat die Bundeswehr in einem Gefecht derart schwere Verluste hinnehmen müssen wie an diesem Tag im Unruhedistrikt Char Darah. Dutzende Talibankämpfer griffen die Soldaten beim Minensuchen südlich von Kundus an und verwickelten sie in ein stundenlanges Feuergefecht.

Die Bundeswehr war mit afghanischen Soldaten und weiteren Angehörigen der internationalen Schutztruppe unterwegs. Drei deutsche Soldaten wurden erschossen, weitere im Gefecht verletzt. Als ein gepanzertes Fahrzeug, wahrscheinlich vom Typ Dingo, ausweichen wollte, fuhr es auf eine Sprengfalle. Dadurch wurden weitere Soldaten verletzt. Die Toten und Verletzten wurden geborgen und mit Hubschraubern ins Feldlager Kundus gebracht.

Im Hauptquartier des Bundeswehr- Kontingents in Masar-i-Scharif, mehr als 100 Kilometer westlich von Kundus, herrschte am Nachmittag Hektik und Trauer. Es dauerte lange, bis sich die Lage klärte. Die Bundeswehr informierte – wie immer in solchen Fällen – zunächst die Angehörigen im fernen Deutschland. Erst Stunden später wurde bestätigt: Es gab drei Tote und fünf Schwerverletzte.

Der tödliche Angriff ereignete sich in einer Woche, in der gleich zwei Mitglieder der Bundesregierung in Afghanistan waren: Zunächst Innenminister Thomas de Maizière (CDU), dann Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). Niebel zählte zu den ersten, die von dem tödlichen Angriff in der Region Kundus erfuhren. Als er am Nachmittag mit einem US-Transportflugzeug im Hauptquartier des von Deutschland geführten Regionalkommandos Nord eintraf, wurde er mit der schlechten Nachricht empfangen. Bei einem „Beschuss“ einer Bundeswehr-Patrouille habe es mehrere Verletzte gegeben, hieß es. Von Toten war zunächst nicht die Rede. Der Kommandeur, Brigadegeneral Frank Leidenberger, kam nicht wie geplant zum Flugfeld, um Niebel abzuholen. Es gab wichtigeres zu tun.

Niebel war am Donnerstag zu seiner ersten Afghanistan-Reise als Entwicklungsminister in Kabul eingetroffen. Am Freitagfrüh brach er nach Nordafghanistan auf und sah sich in Feisabad zunächst die Eindämmung eines Flusses und ein Hilfsprojekt für Frauen und Kinder in Not an. Auf dem Weg nach Masar-i-Scharif flog Niebel über die Gegend, in der das Gefecht stattfand. Bei der Ankunft folgte die böse Überraschung. Kundus ist der gefährlichste Standort der Bundeswehr in Nordafghanistan. Während es in der Region insgesamt relativ ruhig ist, gab es um Kundus in den vergangen Monaten immer wieder Schusswechsel – auch mit Verletzten. Es ist aber fast ein Jahr her, dass deutsche Soldaten getötet wurden.

Niebel sprach von einem „schändlichen Angriff“. Er zeige, wie gefährlich das Engagement der Soldaten und der zivilen Kräfte in Afghanistan sei. Gleichzeitig mache er deutlich „wie wichtig dieses Engagement ist, damit diesen Terroristen nicht die Chance gegeben wird, sich durchzusetzen“. Seinen für diesen Samstag geplanten Abstecher nach Kundus sagte Niebel ab. Er werde in Masar-i-Scharif bleiben und gegebenenfalls mit den verwundeten Soldaten sprechen.

Während Vertreter der Bundesregierung ihr Entsetzen bekundeten, forderte die Linkspartei den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Kritik kam auch vom früheren Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU). Er hält die jahrelange Bewertung des Einsatzes als Friedens- und Stabilisierungsmission für falsch. In einer ZDF-Dokumentation, die vor den Gefechten am Karfreitag abgeschlossen war, sagte Rühe: „Es ist ein zentrales Versagen – in diesem Fall der großen Koalition – gewesen, dass man nicht die Wahrheit gesagt hat über den Einsatz. Jetzt ist der Krieg in den Norden gekommen und deswegen ist diese Schönwetterstrategie und diese Lebenslüge in sich zusammengebrochen.“ Der schwarz-gelben Koalition warf er „Doppelgesichtigkeit“ vor. In der Nato bekunde Deutschland solidarischen Kampf mit den anderen. „Zu Hause sagen wir: Regt euch nicht auf, wir machen die Ausbildung.“ Das Abenteuer Afghanistan müsse beendet werden. Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) gab in dem Bericht zu: „Ich denke schon, dass wir am Anfang die Brisanz unterschätzt haben.“ dpa

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