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Auch Helfer sind immer wieder bedroht worden.

© Reuters

Afghanistan: Wahl mit beschränkten Möglichkeiten

Die Afghanen bestimmen ein neues Parlament - doch rund 1100 Wahllokale öffnen gar nicht erst. Die schlechte Sicherheitslage bleibt das größte Problem in Afghanistan.

Von Michael Schmidt

Afghanistan wählt. Das soll, wenn es nach dem Willen vieler Afghanen und der internationalen Gemeinschaft geht, zur demokratischen Routine in dem kriegsversehrten Land am Hindukusch werden. Allein zum wiederkehrenden Ritual werden vor allem die Drohungen der Taliban, die Angst vor Korruption und Manipulation und die Hoffnung, dass trotz alledem, Wahlen immer noch besser sind als keine Wahlen. Eine Hoffnung, die von mal zu mal geringer wird: Viele der mehr als zehn Millionen registrierten Wähler werden an diesem Samstag bei den zweiten Parlamentswahlen seit dem Sturz der Taliban nicht in der Lage sein, ihre Stimme abzugeben. Die Unabhängige Wahlkommission (IEC) hat entschieden, 1200 der insgesamt 6900 Wahllokale im Land gar nicht erst zu öffnen. Grund ist die Sicherheitslage, die in diesem Herbst so schlecht ist wie noch nie seit Beginn der Nato-geführten Isaf-Mission 2002.

Insgesamt bewerben sich rund 2500 Kandidaten um die 249 Sitze im Unterhaus des afghanischen Parlaments - nicht selten ein lebensgefährliches Unterfangen. Am Donnerstag riefen die radikalen Islamisten noch einmal zum Boykott auf und warnten, Wähler könnten "verletzt" werden. In der Nacht zu Freitag wurden 18 Wahlhelfer und -organisatoren entführt, am Freitag ein weiterer Kandidat verschleppt. Vier Kandidaten wurden im Laufe des Wahlkampfs getötet. Aus Angst um ihr Leben könnten viele Afghanen wie schon bei der Präsidentenwahl vor einem Jahr zu Hause bleiben. Verschärfend kommen US- und regierungsfeindliche Proteste hinzu, die sich an einer geplanten Koran-Schändung in den USA entzündet hatten. Trotz 150.000 ausländischer Soldaten und etwa 300.000 afghanischer Sicherheitskräfte ist eine ordnungsgemäße Wahl zweifelhaft.

Auch in einigen Gebieten im Norden Afghanistans, die unter der Verantwortung der Bundeswehr stehen, ist die Lage angespannt. Die deutschen Soldaten sollen sich bei der Absicherung der Wahlen aber im Hintergrund halten. Der neue Regionalkommandeur Nord, Generalmajor Hans-Werner Fritz, sagte kürzlich, die Bundeswehr habe die vergangenes Wochenende zu Ende gegangene Fastenzeit Ramadan dazu genutzt, sich auf den Urnengang vorzubereiten. "Große Sorgen bereitet uns im Moment der Raum südlich von Kundus", sagte Fritz.

Gut 1300 deutsche Soldaten sind derzeit im Feldlager der Bundeswehr in der öden Steppe am Rande von Kundus stationiert, fast täglich werden sie von den Taliban in Gefechte verwickelt. Mit ihren selbstgebauten Bomben greifen die Aufständischen Fahrzeuge der Bundeswehr an, die auf den staubigen Landstraßen unterwegs sind. Überzeugte Taliban gebe es in dieser Gegend vielleicht etwa 200, rund zehn Prozent der Rebellen, heißt es aus Bundeswehrkreisen. Der Rest mache bei dem Aufstand mit, weil er dafür Geld bekomme. "Bei der Wahl werden aber nicht wir im Fokus der Aufständischen stehen, sondern die afghanischen Institutionen", vermutet ein leitender Offizier des neu aufgestellten Ausbildungs- und Schutzbataillons der Bundeswehr in Kundus, das gemeinsam mit der afghanischen Armee wichtige Bezirke einnehmen soll.

Erstmals haben deutsche Polizeiausbilder in Kundus afghanische Wahlhelferinnen angelernt, die auch Frauen und Kinder vor den Wahllokalen auf Sprengstoff und Waffen durchsuchen sollen. Die Sicherheit der Wahllokale sei eigentlich Aufgabe der afghanischen Polizei, sagt Polizeioberrat Sven Mewes, der das Deutsche Polizei Projekt Team (GPPT) in Kundus leitet. Allerdings gibt es nur wenige Polizistinnen - und dass Männer Frauen durchsuchen, ist im streng religiösen Afghanistan undenkbar. Daher habe der Gouverneur von Kundus das GPPT gebeten, für den Urnengang insgesamt 300 Wahlhelferinnen auszubilden. (mit dpa/rtr)

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