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Bundeswehr

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Afghanistaneinsatz: Angst vor dem Aufstand

Viele SPD-Abgeordnete sehen die Bundeswehreinsätze in Afghanistan mit großer Skepsis. Um die Verlängerung des Mandats nicht zu gefährden stimmt der Bundestag erst nach dem SPD-Parteitag über die weitere Beteiligung am Anti-Terror-Einsatz ab.

Kurt Beck geht auf Nummer sicher. Auf Vorschlag des SPD-Vorsitzenden haben sich die Spitzen der Koalition am Montagabend im Kanzleramt darauf verständigt, den Bundestag über die Bundeswehreinsätze in Afghanistan getrennt abstimmen zu lassen. Während der Tornado-Einsatz und die Beteiligung an der internationalen Schutztruppe Isaf in einem Mandat zusammengefasst und dem Parlament Anfang Oktober zur Abstimmung vorgelegt werden, soll über den deutschen Beitrag zur US-geführten Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ (OEF) erst im November entschieden werden – und zwar nach dem SPD-Bundesparteitag in Hamburg.

Beck und mit ihm die Koalition tragen damit der weit verbreiteten Skepsis bei den Sozialdemokraten gegenüber einer Verlängerung der Afghanistaneinsätze im Allgemeinen und des OEF-Mandats im Besonderen Rechnung. Das Mandat erlaubt die Entsendung von bis zu 110 deutschen Spezialkräften zur Terrorbekämpfung nach Afghanistan. Die KSK-Soldaten wurden zwar seit 2005 nicht mehr unter OEF-Mandat eingesetzt, sondern halten sich derzeit offenbar unter Isaf-Führung im Norden des Landes auf. Doch die Kritiker halten die US-Operation, bei der immer wieder Zivilisten getötet werden, schon im Ansatz für falsch und wollen sie nicht noch durch deutsche Unterstützung legitimieren. Durch das Vorgehen der USA „beim OEF-Einsatz wird die Präsenz der internationalen Truppen in Afghanistan insgesamt in Misskredit gebracht“, klagt etwa der SPD-Abgeordnete Nils Annen.

Mit der Entscheidung, den Bundestag erst mit dem OEF-Mandat zu befassen, wenn der SPD-Parteitag Ende Oktober darüber debattiert hat, will Beck einen möglichen Aufstand der Basis vermeiden. Nach dem Willen des Vorsitzenden soll ein harmonisch-geschlossener Parteikonvent zwei Jahre vor der Bundestagswahl die Wende für die gebeutelte Sozialdemokratie einleiten. Mit einem Basta, das ist Becks Lehre aus der Schröder-Ära, lässt sich die Partei nicht mehr führen. „Wir hätten die Partei brüskiert, wenn wir vorher alles durch den Bundestag gebracht hätten“, heißt es in der SPD. Nun sollen in Hamburg die Bedenken der Kritiker gehört und der Widerstand durch Vorschläge zur Ausgestaltung des Mandats eingedämmt werden.

In der Sache aber will Beck „nicht wackeln“, wie es in Koalitionskreisen hieß. Nicht nur Tornado-Einsatz und Isaf-Beteiligung, auch das OEF-Mandat müssten verlängert werden, machte er in der Spitzenrunde am Montagabend im Kanzleramt deutlich. Vizekanzler Franz Müntefering versicherte am Dienstag, die SPD- Spitze werde in den kommenden Wochen in der eigenen Partei entschieden für OEF werben. Leicht wird das nicht. Ein erheblicher Teil der Mitglieder hält es in der Frage von Auslandseinsätzen eher mit den kategorischen Nein von Oskar Lafontaine und dessen Linker. 18 Prozent der SPD-Parteibuchinhaber sind auch dann definitiv gegen Militärmissionen, wenn sie durch ein UN-Mandat legitimiert sind, wie eine Mitgliederbefragung ergab. Weitere 35 Prozent stehen solchen Einsätzen skeptisch bis anlehnend gegenüber.

In der Union war vor diesem Hintergrund denn auch von einem „Zugeständnis an die SPD“ die Rede. Die FDP wertete die Entscheidung als Zeichen dafür, dass „die Parteikrise der SPD endgültig die Koalition und das Regierungshandeln erreicht“. Grüne und Linkspartei kritisierten die Zusammenlegung von Isaf- und Tornado-Einsatz zu einem Mandat als taktisches Manöver. Mit der Koppelung solle die Zahl der Nein-Stimmen in der SPD-Fraktion verringert werden. Tatsächlich hatte rund ein Drittel der SPD-Abgeordneten im März gegen den Einsatz der Tornados gestimmt.

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