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Afrika: Blutige Unruhen in Westsahara

Rußgeschwärzte Fassaden, ausgebrannte Autos, eingeschlagene Schaufensterscheiben, verwüstete Straßen. An allen Ecken Militärlastwagen mit bewaffneten Soldaten.

Al Aaiun/Madrid – Einen Tag nach dem Ausbruch der blutigen Unruhen in der Westsahara-Hauptstadt Al Aaiun glichen am Dienstag ganze Straßenzüge einem Bürgerkriegsszenario. Die Armee hatte in der Nacht zuvor den Ausnahmezustand über jene Stadt verhängt, in der rund 200 000 Menschen leben.

Die bisherige vorläufige Bilanz der schlimmsten Unruhen, welche die von Marokko besetzte Westsahara in den letzten 20 Jahren erlebte: Offenbar mindestens 16 Tote – fünf marokkanische Sicherheitskräfte und elf Angehörige des Westsahara-Volkes. Mehr als 700 Saharauis wurden nach Angaben der Sahara-Exilregierung, die im benachbarten Westalgerien ihren Sitz hat, verletzt. Etwa 160 Menschen würden vermisst. Marokkos Behörden sprachen von 60 verletzten Polizisten und Soldaten.

Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht, denn Marokko tut derzeit alles, um eine unabhängige Berichterstattung über den Gewaltausbruch zu verhindern. Al Aaiun wurde für Journalisten zur verbotenen Stadt erklärt. Alle Zufahrten sind abgeriegelt, die Einreise von Berichterstattern per Flugzeug wird verhindert. Bewohner und einige humanitäre Helfer in der Stadt versorgen die Außenwelt per Telefon und Internet mit Informationen sowie Bildern über den Aufstand.

Auch wenn Marokkos Militär die Stadt Al Aaiun weitgehend unter Kontrolle hatte, wurden am Dienstag neue Gewaltexzesse gemeldet. In einigen Stadtvierteln sollen marokkanische Siedler mit Duldung der Sicherheitskräfte Jagd auf Saharauis gemacht und ihre Wohnungen sowie Geschäfte verwüstet haben. Rund die Hälfte der im Westsaharaterritorium lebenden 270 000 Menschen sind Marokkaner, die in dem westafrikanischen Wüstenland nach der Besetzung im Jahr 1975 angesiedelt worden waren.

Die Unruhen waren ausgebrochen, nachdem marokkanische Polizisten und Soldaten ein riesiges Protestlager außerhalb von Al Aaiun gestürmt und verwüstet hatten. In dem Camp lebten zuletzt mehr als 20 000 Saharauis, um für bessere Lebensbedingungen zu demonstrieren. Die Saharauis fühlen sich unterdrückt und benachteiligt in der von Marokko verwalteten Westsahara.

Kurz vor dem Angriff auf das Camp hatte Marokkos König Mohammed VI. klargemacht, dass er „keine Verletzung oder Zweifel “ der marokkanischen Autorität in der Westsahara dulden werde. Es war seine Ansprache zum 35. Jahrestag des „grünen Marsches“, mit dem Anfang November 1975 die bis dahin von Spanien besetzte Westsahara eingenommen wurde. Die Saharaui-Exilregierung fordert seit Jahren ein Referendum über die Selbstbestimmung der Westsahara. Marokko lehnt dies ab. Ralph Schulze

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