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Zwei Polizeifahrzeuge stehen vor der Botschaft der Republik Kamerun in Berlin-Westend. Die Botschaft der Republik Kamerun in Berlin-Westend war in der Nacht zum Sonntag besetzt worden.

© Christoph Soeder / dpa

Afrika: Die Botschaft der Botschaftsbesetzer

Die Subsahara-Staaten tauchen meist nur in Possen auf. Doch Europa sollte sich ernsthaft für Afrika interessieren, vor allem für die Opposition. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Auf die Staaten in Subsahara- Afrika, das früher gern Schwarzafrika genannt wurde, richtet Europa generell wenig Augenmerk. Von Südafrika ist als Tourismusziel die Rede, von Nigeria, wenn Islamisten Mädchen entführen, und ein gewisses Sorgenwabern gilt den guten Geschäften, die China auf dem Kontinent entwickelt. Zudem dreht sich jetzt eine Debatte um Rückgaben kolonialer Raubkunst von europäischen Museen an afrikanische Staaten.

Bei alledem spielen politische Zuständigkeiten und rechtliche Zustände in Afrika selten eine Rolle. Dass am Sonntag Aktivisten in Berlin und Paris einige Stunden lang die Botschaften von Kamerun besetzt hatten, dürfte in der Rubrik Kuriosum landen. Im Berliner Westend waren etwa zehn Leute in die Botschaft eingedrungen, in Paris filmten sich 50 Aktivisten dabei, wie sie im Gebäude Porträts von Staatschef Paul Biya zerschlugen. Die Polizei vertrieb die Eindringlinge, viel mehr war nicht zu hören, eine kleine Posse am Rand des Hauptstadtgeschehens.

Anlass zum Zorn Europas gäbe es

Doch solche Mikroaufstände sind Symptome für die Situation nicht allein in Kamerun. Dort regiert Präsident Paul Biya seit 36 Jahren, unbeirrt von Zornesrufen über Wahlmanipulationen. Neuerdings wehrt sich die anglophone Bevölkerung dagegen, dass ihre Belange für die herrschende frankophone Gruppe zweitrangig sind. Es kommt, wie Meldungen dann stets kundtun, zu „Unruhen“ oder „Ausschreitungen“.

Den Zorn von Europäern erregen die zählebigen Machtcliquen in Subsahara-Afrika kaum. Anlass dafür gäbe es durchaus. Seit 1979 herrscht der Diktator Teodoro Obiang über Äquatorialguinea, 41 Jahre lang regierte Präsident Omar Bongo das ölreiche Gabun, nach seinem Tod 2009 übernahm der Sohn. In Uganda ist Yoweri Museveni seit 1986 am Ruder, im Sudan seit 1989 Umar al-Baschir. Ins 30. Jahr geht die Herrschaft von Idriss Déby im Tschad, jener „stabile“ und bettelarme Staat, den Europa zum strategischen Partner beim Eindämmen von Migration und Terror erkoren hat.

Wie die Haftbedingungen von Intellektuellen, Künstlern und Aktivisten aussehen, die sich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, lässt sich in den Länderreports von Amnesty International oder Human Rights Watch nachlesen. Neben Gefängnis und Folter nutzen Regierungen, etwa im Sudan, in Gabun, der Demokratischen Republik Kongo oder in Zimbabwe, nun vermehrt auch Internetsperren zur Repression, teilte unlängst das Netzwerk Association for Progressive Communications (APC) mit. „Wie abgeschnitten von der Welt“ sieht sich die Feministin Françoise Mukuku, die in Kinshasa für digitale Rechte streitet.

Afrikas Oppositionelle haben es oft mit Regimen zu tun, die schon beim Wort „Demokrat“ die Geduld verlieren, ähnlich wie Donald Trump. Im Nachfolger des ersten afro-amerikanischen Präsidenten der USA erkannte der südafrikanische Kabarettist Trevor Noah „Amerikas ersten afrikanischen Präsidenten“, da er sich ebenso autokratisch und selbstbeweihräuchernd gibt.

Welche Botschaft die Botschaftsbesetzer von Berlin hatten, dazu könne sie „noch nichts sagen“ ließ die hiesige Polizei wissen. Eins ist sicher: Es ging ihnen unter Garantie nicht um die Restitution afrikanischer Masken aus europäischen Sammlungen. Vor dem Hintergrund der prädemokratischen und pseudodemokratischen Verhältnisse in vielen der ehemaligen Kolonialstaaten kann die erhitzte Debatte um Rückgaben nachgerade wirken wie ein groteskes Alibimanöver, das dem Ausblenden der vorrangigen Probleme dient. Auch deshalb lohnt es, den Afrikaexperten Erhard Schüttpelz ernst zu nehmen, der auf dem Blog „Wie weiter mit Humboldts Erbe?“ der Universität Köln vor dem „Plündern der Museen“ als Kompensation für die Plünderungen des Kolonialismus warnt. Im korrupten Ambiente des postkolonialen Kontinents, so Schüttpelz, könnten Schätze, die zum historischen Gedächtnis der Menschheit gehören, nur allzu rasch verschwinden.

Womöglich erleichtert es das Gewissen von Europäern, wenn sie in die Depots ihrer Museen greifen, um Container voller Kunstwerke und anderer Artefakte nach Afrika zurück zu schicken. Allerdings haben die meisten der wahren, politischen Bündnispartner Europas, nämlich die couragierten und bedrängten Demokraten in afrikanischen Staaten, völlig andere Prioritäten. Sie haben einen Anspruch auf völlig andere, auf eine genuin politische Solidarität.

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