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Politik: Afrikas Diktatoren bleiben gelassen – und im Amt

Warum die Revolutionen im Norden nicht auf den Süden des Kontinents übergreifen

Der arabische Frühling treibt offenbar auch jenseits von Ägypten und Tunesien erste Blüten: Am Montag ging die Polizei in dem nordwestafrikanischen Wüstenstaat Mauretanien mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die sich dort zu Protesten gegen das Regime von Präsident Mohamed Ould Abdelaziz versammelt hatten. Wie die BBC meldete, hinderten Ordnungshüter Hunderte von Menschen am Betreten des Hauptplatzes in der Hauptstadt Nouakschott. Seit Februar kommen hier kleinere Gruppen regelmäßig zu Protesten gegen den Präsidenten zusammen. Dieser hatte im August 2008 seinen demokratisch gewählten Vorgänger durch einen Militärputsch aus dem Amt vertrieben. Fast ein Jahr später hatte Abdelaziz dann jedoch durch eine mit seinen Gegnern ausgehandelte Wahl ein demokratisches Mandat erlangt.

Seit längerem blicken die vielen alten Staatschefs in Schwarzafrika mit spürbarem Unbehagen nach Kairo oder Damaskus, ohne aber ihrerseits irgendwelche Reformen einzuleiten. Während das Durchschnittsalter der afrikanischen Bevölkerung bei 25 Jahren liegt, sind ihre politischen Führer im Schnitt knapp über 70. Viele Beobachter im Westen überrascht die Toleranz aber auch die Apathie, mit der etwa die Menschen in Simbabwe oder Äquatorialguinea Langzeitdiktatoren wie Robert Mugabe oder Tedoro Obiang ertragen. Auch im Tschad, in Angola, Kamerun oder Uganda herrschen Männer, die selbst nach drei Jahrzehnten nicht von der Macht lassen können.

Ein Grund für den scheinbaren Gleichmut der Afrikaner gegenüber ihren Führern liegt darin, dass die Menschen dort offenbar mit weit weniger zufrieden sind als in anderen Weltregionen. Viele kennen Schlimmeres als einen nicht am Gemeinwohl interessierten Staatschef, etwa Hungersnöte oder Kriege. In Simbabwe hat zum Beispiel der lange und blutige Widerstandskampf gegen das weiße Minderheitsregime von Ian Smith für eine gewisse Ermüdung gesorgt. „Die Menschen in Simbabwe hoffen nun darauf, dass ihnen andere im Kampf gegen Mugabes Diktatur zur Hilfe eilen“, diagnostiziert der südafrikanische Kommentator Jacob Dlamini. „Doch ein Volk kann eine Revolution nicht an auswärtige Kräfte übertragen und ihnen die Verantwortung für den eigenen Freiheitskampf überlassen.“ Dlamini beklagt, dass Millionen Simbabwer stattdessen mit ihren Füßen gewählt – und ihr Land verlassen hätten. Das sei eine schwere aber keine mutige Entscheidung gewesen. „Echter Mut ist, sich einem Diktator entgegenzustellen, ihn zum Abdanken zu zwingen – und sich nicht einschüchtern zu lassen.“ Schwarzafrika jedoch habe nicht nur schwache Zivilgesellschaften, sondern auch keine Protesttradition.

Anders als in Ägypten wird eine Revolution in Schwarzafrika zudem durch die ethnische Zersplitterung vieler Länder erschwert. Das Gefühl, dass man einer gemeinsamen Nation angehört, komme oft gar nicht erst auf, meint Greg Mills von der Brenthurst Foundation.

Der wohl wichtigste Grund für die relative Ruhe in Afrika liegt aber wohl in der fehlenden Mittelklasse, weshalb es praktisch überall an der kritischen Masse für einen breiten Aufstand mangelt. Das gilt selbst für das am stärksten industrialisierte Land des Kontinents: Südafrika. Anders als in den arabischen Staaten ist auch hier die schwarze Mittelklasse vergleichsweise klein – nur jeder siebte schwarze Südafrikaner zählt dazu. Mehr als die Hälfte der schwarzen Südafrikaner leben stattdessen noch immer unter der Armutsgrenze und kämpfen ums tägliche Überleben. Die Arbeitslosigkeit am Kap ist sogar noch höher als in Nordafrika: mehr als 50 Prozent der schwarzen Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren haben keinen Job.

Angesichts der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich, insbesondere unter den Schwarzen am Kap, so glaubt der südafrikanische Kommentator Moeletsi Mbeki, ein Bruder des früheren südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki, könnte sich in seinem Land in zehn Jahren eine ähnliche Entwicklung abzeichnen wie in Nordafrika. Dann werde der Rohstoffhunger der Chinesen nachlassen und Südafrika weit weniger Geld für die Finanzierung seiner extrem kostspieligen Sozialprogramme erhalten. Spätestens dann werde es am Kap zum Aufstand der Unzufriedenen kommen, glaubt Mbeki.

Andere Beobachter wie Jacob Dlamini sehen dies weniger dramatisch. Immerhin gebe es in Südafrika zumindest in Ansätzen demokratische Strukturen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob der regierende Afrikanische National Congress (ANC) angesichts der schon jetzt erkennbaren Machtarroganz tatsächlich irgendwann freiwillig abtreten werde. Schließlich sieht sich der ANC genau wie Mugabes Zanu-Partei als Befreier des Landes vom kolonialen Joch und glaubt deshalb, einen dauerhaften Anspruch auf die Macht zu haben.

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