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Politik: Aktionsprogramm für Ostdeutschland: Nicht nur träge Ossis

Wenn Parteifreunde über Parteifreunde reden: "Er ist ja ein netter Kerl", sagt der thüringische SPD-Bundestagsabgeordnete Edelbert Richter über Rolf Schwanitz, den Staatsminister für den Aufbau Ost im Kanzleramt. Und fügt hinzu: "Aber das hilft ja nicht.

Von Matthias Meisner

Wenn Parteifreunde über Parteifreunde reden: "Er ist ja ein netter Kerl", sagt der thüringische SPD-Bundestagsabgeordnete Edelbert Richter über Rolf Schwanitz, den Staatsminister für den Aufbau Ost im Kanzleramt. Und fügt hinzu: "Aber das hilft ja nicht. Wir brauchten jemanden, der mit der Faust auf den Tisch haut."

Richter gerät fast in Wut. Der Theologe aus Weimar ist über die Bürgerrechtsbewegung in die SPD gekommen - und wenn er etwas nicht mag, dann sind es Schönredner: "Da kommen ganz alte Emotionen in mir hoch." Dafür gefallen ihm Leute, die Klartext reden - wie Wolfgang Thierse. Der SPD-Vize und Bundestagspräsident hatte Anfang Januar Thesen zur Lage in den neuen Ländern verfasst, mit der provokanten Schlussfolgerung, dass "der Osten auf der Kippe steht". Für Unruhe in der SPD-Bundestagsfraktion habe diese Analyse gesorgt, sagt Richter. Und versichert, dass er Thierses Thesen "ohne weiteres unterschreiben" würde. Aber wichtiger noch sei, dass jetzt "der nächste Schritt" komme - ein Aktionsprogramm für Ostdeutschland noch in 2001.

Kernpunkte der Richter-Vorschläge: Kanzler Gerhard Schröder solle nach dem Vorbild des "Bündnis für Arbeit" ein "Bündnis für Ostdeutschland" initiieren, namhafte Unternehmensvertreter und Ökonomen zum Gespräch einladen. Themen: "Warum investieren westdeutsche Unternehmen kaum noch in größerem Umfang in Ostdeutschland? Mit welchen politischen Maßnahmen kann ihnen auf die Sprünge geholfen werden?" Für notwendig hält der Bundestagsabgeordnete eine auf Zukunftsbranchen orientierte Industriepolitik, eine stärkere Förderung von ostdeutschen Arbeitnehmern am Produktivvermögen, mehr Mittel für die Industrieforschung Ost.

Die Ostdeutschen müssten merken, dass "die oben" und "die drüben" sich doch für sie interessieren, meint Richter - "und zwar nicht nur karitativ". Wenn die Ostdeutschen wieder eine Perspektive sähen, würde auch den Westdeutschen dämmern, "dass die Stagnation im Osten nicht bloß auf die trägen Ossis zurückzuführen ist, sondern wohl tiefere Gründe hat". Ohne eine klare wirtschaftspolitische Strategie für Ostdeutschland werde die Investitionsbereitschaft kaum zunehmen, sagt Richter.

Kommende Woche, von Montag bis Mittwoch, gehen die ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten in Berlin zum Thema in Klausur. In der Einladung ist Thierses These "Der Osten steht auf der Kippe" ganz diplomatisch ein Fragezeichen und ein Ausrufezeichen hinzugefügt worden. Richter hofft, dass die eigenen Genossen nicht "wie zu SED-Zeiten" agieren, gemäß dem Motto, dass "die regierende Partei nur Einheit und Geschlossenheit demonstrieren darf". Der Abgeordnete: "Man muss den Leuten reinen Wein einschenken."

Wenn Schröder diesen Sommer wieder auf Tour durch Ostdeutschland geht und diesmal vor allem die Grenzräume besuchen will, erwartet Richter konkrete Vorschläge des SPD-Regierungschefs zum Aufbau Ost: "Der soll ja nicht Almosen mitbringen, der soll konzeptionell was mitbringen." Schwanitz dagegen hatte erst kürzlich Schröders Ost-Rundfahrt des Bundeskanzlers im Jahr 2000 verteidigt: "Wir haben diese Reise ganz bewusst nicht mit haltlosen Versprechen verbunden."

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