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Al-Qaida-Chef getötet: Bin Laden verbarg sich hinter meterhohen Mauern

Eine US-Spezialeinheit hat Osama bin Laden getötet. Sie hatte den Drahtzieher des Terrorangriffs vom 11. September 2001 in Pakistan ausfindig gemacht. Seine Leiche wurde offenbar schon beigesetzt.

Am Ende verbarg sich der meistgesuchte Mann der Welt nicht in den zerklüfteten Bergen Afghanistans, sondern in einem luxuriösen Ferienort nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. "Nach Mitternacht umstellte ein massives Aufgebot an Elitesoldaten das Anwesen", schildert Nasir Khan den dramatischen Zugriff auf Osama bin Laden. Der Bewohner von Abbotabad verfolgte die Razzia vom Dach seines Hauses. "Drei Hubschrauber schwebten über dem Komplex. Plötzlich wurde vom Boden auf sie geschossen". Ein heftiges Feuergefecht habe sich entwickelt, dann sei einer der Hubschrauber abgestürzt. Laute Explosionen rissen auch Bin Ladens Nachbar Sahibzada Salahuddin aus dem Schlaf. "Als ich die Tür aufmachte, stand das ganze Anwesen in Flammen", berichtet er.

Am frühen Montagmorgen mitteleuropäischer Zeit hatte sich US-Präsident Barack Obama mit der Nachricht an die Nation gewandt, auf die die USA seit annähernd zehn Jahren gewartet hatten: Osama bin Laden, der Drahtzieher des Terrorangriffs auf New York an 9/11, ist tot. Binnen kurzer Zeit versammelten sich Hunderte vor dem Weißen Haus und sangen die Nationalhymne. Die Nachricht verschafft Amerika, erstens, Genugtuung. Ein schweres Verbrechen ist gesühnt. Und, zweitens, Stolz: Die USA haben die Rache und die Strafe in die eigenen Hände genommen. Das ist eine große Erleichterung für die Familien der rund 3000 Opfer des Terrorangriffs vom 11. September 2001.

Kurz vor Mitternacht am Sonntag amerikanischer Ortszeit trat Präsident Obama im Weißen Haus vor die Kameras und verkündete die Botschaft. Er sagte, die CIA habe vor Monaten eine heiße Spur gefunden und geduldig verfolgt. In der vergangenen Woche habe er entschieden, dass die Informationen sicher genug seien, um auf ihrer Basis zuzuschlagen. Osama bin Laden habe sich in einem Haus in der Umgebung der pakistanischen Hauptstadt Islamabad aufgehalten. Ein kleines Team amerikanischer Kämpfer habe nun die Aktion ausgeführt, Osama nach einem Schusswechsel mit seinen Begleitern getötet und seine Leiche gesichert.

Der pakistanische Geheimdienst ISI bestätigte, Bin Laden sei in der Nacht bei einer gemeinsamen Operation mit den US-Kräften getötet worden. Aus Regierungskreisen in Washington verlautete, dass bei dem Einsatz drei weitere Männer und eine Frau getötet worden seien. Darunter habe sich offenbar auch ein Sohn bin Ladens befunden.

In US-Regierungskreisen hieß es, eine kleine Gruppe amerikanischer Soldaten sei mit Hubschraubern eingeflogen und habe das riesige, festungsartige Anwesen in Abbotabad gestürmt. Nach 40-minütigen Kämpfen seien Bin Laden, ein erwachsener Sohn, eine nicht identifizierte Frau sowie ein Kurier und dessen Bruder tot gewesen.

Fünf Meter hohe Mauern

Das Gebäude, in dem sich Bin Laden versteckte, ist etwa acht Mal so groß wie die umliegenden Häuser. Es stehe auf einem riesigen Grundstück, das beim Bau des Gebäudes 2005 noch relativ abgelegen war, hieß es in US-Regierungskreisen.

Zu den massiven Sicherheitsmaßnahmen gehöre eine bis zu 5,50 Meter hohe Mauer rund um das Anwesen, die mit Stacheldraht gekrönt sei. Im Inneren unterteilten Mauern den komplex in verschiedene Bereiche. Die Bewohner hätten ihren Müll selbst verbrannt, statt ihn wie die Nachbarn von der Müllabfuhr einsammeln zu lassen. Nur wenige Fenster des Anwesen zeigten nach draußen, und die Terrasse sei von einer mehr als zwei Meter hohen Mauer abgeschirmt.

"Es ist auch sehr bemerkenswert, dass der Besitz ungefähr eine Million Dollar wert ist, es dort aber weder einen Telefon- noch einen Internetanschluss gibt", sagte ein Regierungsvertreter. "Die Brüder hatten keine erklärbare Einkommensquelle". Außerdem stellten die amerikanischen Ermittler stellten fest, dass neben den beiden Brüdern eine dritte Familie in dem Anwesen wohnte. Die Zusammensetzung dieser Familie passte auf die von Bin Laden, seine jüngste Frau eingeschlossen.

US-Botschaften in erhöhter Alarmbereitschaft

Die Leiche bin Ladens ist laut US-Fernsehberichten im Meer beigesetzt worden. Bin Ladens Leiche sei im Einklang mit den muslimischen Traditionen im Meer bestattet worden, berichteten die TV-Sender CNN und MSNBC am Montag.

Obama erinnerte an das Leid, dass der Terrorangriff über Amerika gebracht habe. Kinder seien ohne ihre Eltern aufgewachsen. Doch die Amerikaner hätten sich in der Stunde der Not auch zusammengeschlossen wie eine große Familie, Blut gespendet und einander beigestanden.

US-Fernsehsender betonen zwei Aspekte, die aufs Erste widersprüchlich klingen. Erstens seien alle US-Dienststellen rund um die Erde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Denn man müsse damit rechnen, dass islamische Terroristen nun Racheakte versuchen. Zweitens erhoffe sich Amerika, dass die Nachricht vom Tod bin Ladens das Terrornetzwerk Al Qaida und seine Verbündeten demoralisiere. Nach aller Erfahrung versuchten sie die Botschaft vom Tod wichtiger Anführer zunächst als Propaganda Amerikas abzutun. Deshalb sei es wichtig, dass die USA bin Ladens Leichnam besitzen und durch einen DNA-Nachweis belegen können, dass es sich tatsächlich um den Al-Qaida-Anführer handelt.

Bin Laden baut ab 1989 Al Qaida auf

Bin Laden wurde als Sohn eines reichen saudiarabischen Bauunternehmers vermutlich im Jahr 1957 geboren. Er entwickelte die Idee, Muslime aus aller Welt zu einem Kampf gegen westliche Mächte und ihre arabischen Verbündeten zusammenzurufen. In Afghanistan kommandierte er 1984 gegen die Rote Armee mehr als 20.000 Kämpfer aus vielen arabischen Ländern. Ein Jahr vor Ende der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1989 begann bin Laden mithilfe von Gefolgsleuten mit dem Aufbau des Netzwerks Al Qaida („Das Fundament“). Als 1991 eine internationale Koalition unter Führung der USA den Krieg gegen Irak führte, erklärte er Washington den „Dschihad“, den religiös motivierten Krieg.

Die USA machen bin Laden auch für weitere Anschläge vor dem 11. September 2001 verantwortlich, darunter die Attentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1996, bei denen mehr als 200 Menschen starben, und der Angriff auf den US-Zerstörer „Cole“ im November 2000 im jemenitischen Aden mit 17 Toten.

Glückwünsche und spontaner Jubel

In ersten Reaktionen gratulierten Obamas Amtsvorgänger, George W. Bush und Bill Clinton, zu dem Schlag gegen Al Qaida. Bush, der das Land während der Terroranschläge vom 11. September regiert hatte, sprach von einer „bedeutenden Errungenschaft“. „Der Kampf gegen den Terror geht weiter, aber heute Nacht hat Amerika eine unmissverständliche Botschaft ausgesandt“, so Bush in seiner Erklärung. „Ganz gleich, wie lange es dauert, der Gerechtigkeit wird Genüge getan.“

Bushs Vorgänger Bill Clinton sagte: „Ich gratuliere dem Präsidenten, dem Nationalen Sicherheitsteam und den Mitgliedern unserer Armee dafür, dass sie Osama bin Laden nach über einem Jahrzehnt mörderischer Al-Qaida-Attacken zur Rechenschaft gezogen haben“, schrieb Clinton an das Weiße Haus.

Wie vor dem Weißen Haus versammelten sich auch auf Ground Zero in New York Hunderte Menschen. Ground Zero ist der Ort, an dem einst die Zwillingstürme des World Trade Center standen. Terroristen hatten am 11. September zwei Flugzeuge in die Türme gesteuert, 2600 Menschen starben.

Als sich die Nachricht vom Tod Bin Ladens verbreitete, strömten von Minute zu Minute immer mehr Bürger auf den Platz. Viele schwenkten US-Fahnen, und Champagnerflaschen wurden geköpft. „Was für ein wunderbarer Tag“, rief ein New Yorker aus. „Endlich ist es so weit.“

Merkel ist erleichtert

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte erleichtert auf die Tötung Osama bin Ladens. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Mit der Kommandoaktion gegen Osama bin Laden und seiner Tötung ist dem US-Militär ein entscheidender Schlag gegen Al-Qaida gelungen“, teilte Seibert mit. Besiegt sei der internationale Terrorismus damit aber noch nicht. „Wir alle werden wachsam bleiben müssen.“

Bin Laden sei verantwortlich für den Tod tausender unschuldiger Menschen, erklärte Seibert. „In seinem direkten Auftrag und in seinem Namen wurde der Terror in viele Länder getragen, er richtet sich gegen Männer, Frauen und Kinder, Christen wie Muslime.“ Bin Laden habe vorgegeben, im Namen des Islam zu handeln. In Wirklichkeit habe er jedoch die Grundwerte seiner und anderer Religionen verhöhnt. (mit AFP/dpa/rtr)

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