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Politik: Al Qaida kompensiert Fahndungserfolge mit Propaganda

Drei Jahre nach den Flugzeugattentaten vom 11. September ist es für das Terrornetzwerk Al Qaida nach Einschätzung westlicher Geheimdienste schwerer geworden, Anschläge zu verüben. Dafür haben sich in vielen Staaten weitgehend unabhängige Terrorzellen gebildet.

Kairo (07.09.2004, 12:00 Uhr) - An der Propagandafront sind Osama bin Laden und seine Gesinnungsgenossen heute wesentlich aktiver als vor den Anschlägen in New York und Washington.

Der Sturz der Taliban in Afghanistan hat zwar den wichtigsten Rückzugsraum von Al Qaida zerstört. Fahndungserfolge der US-Ermittler und pakistanischen Agenten haben in den Rängen der selbst ernannten Gotteskrieger erhebliche Lücken entstehen lassen. In dem US-Untersuchungsbericht zum 11. September heißt es außerdem, die finanziellen Zuwendungen für Al Qaida aus Saudi-Arabien seien stark zurückgegangen. Von einer erfolgreichen Bilanz des Kampfes gegen den Terror kann aber nicht die Rede sein.

Erstens sind Al-Qaida-Anführer Osama bin Laden und sein ägyptischer Weggefährte Eiman al Sawahiri immer noch auf freiem Fuß. Zweitens haben von Spanien über den Irak bis nach Saudi-Arabien Terrorkommandos gewütet, die sich von der Ideologie und den Methoden Bin Ladens inspirieren ließen.

Der ägyptische Terrorismus-Experte Dia Raschwan hat Al Qaida kürzlich mit einer großen amerikanischen Schnellrestaurant-Kette verglichen, die nach dem Franchise-Prinzip arbeitet. «Alles was die Filialleiter tun müssen, ist, dem Leitfaden der Firma zu folgen. Sie müssen aber nicht jedes Mal in der Zentrale anrufen, wenn sie ein Essen zubereiten wollen.»

Über arabische Nachrichtensender wie Al Dschasira und auf Islamisten-Seiten im Internet verbreiten Bin Laden und seine Getreuen zudem weiter ungehindert ihre Hassbotschaft vom «Krieg gegen die Ungläubigen». Gleichzeitig haben die Fanatiker ihr «Feindeslager» erweitert. Nach Israel und den USA haben die Al-Qaida-Ideologen inzwischen auch die «ungläubigen» arabischen Herrscher, die pakistanische Führung und mehrere europäische Staaten auf ihre «schwarze» Liste gesetzt.

In die Hände spielte Al Qaida ironischerweise der Irak-Krieg, der von den Amerikanern ja unter dem Banner des «Krieges gegen den Terror» geführt worden war sowie die anschließende Besetzung des Landes. Denn außer dem Palästina-Problem hat wohl kein anderer Konflikt den «islamischen Gotteskriegern» in den letzten Jahren so viel Nachwuchs beschert wie die von den Arabern als extrem ungerecht empfundene Besetzung des Irak.

Als Gradmesser dafür lassen sich zum Beispiel Parolen der nicht-gewaltbereiten Islamistengruppen anführen. Sie protestieren bei ihren Demonstrationen in Amman oder Kairo heute nicht mehr nur gegen die Haltung von Präsident George W. Bush im Nahost-Konflikt, sondern auch gegen die «Verbrechen der USA in Palästina und Irak». (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa) ()

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