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Politik: Alarm für die Spender

Von Caroline Fetscher

Wie Noah nahm man sie an Bord. Ende der Siebziger Jahre rettete die „Cap Anamur“ Tausende vietnamesische Flüchtlinge vor dem Ertrinken. Die deutsche Öffentlichkeit schloss Schiff wie Passagiere ins Herz. Dieser Tage hat das Schiff 37 Afrikaner aus dem Mittelmeer gefischt. Die Bilder von der Ankunft auf Sizilien nehmen mehr Raum in den Fernsehnachrichten ein als die Tragödie der eine Million Flüchtlinge in Sudan, auf die die Hilfsorganisation hinweisen will. Doch diesmal ist nicht Dankbarkeit der Lohn. „CapAnamur“-Chef Elias Bierdel wurde verhaftet – wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Die Helfer als falsche Helden?

„Cap Anamur“ ist von Beginn an auch eine Geschichte der Verquickung mit den Medien. Rupert Neudeck, der Gründer, half von Haiti bis Kosovo, auch ohne Schiff, er setzte Lastwagen und Mülltransporter ein, um in Krisenregionen beim Aufräumen zu helfen. Das alles wurde durch die Rettung der vietnamesischen „Boat People“ möglich. Sie hat ihn berühmt gemacht und der Organisation reichlich Spenden eingetragen.

Ohne Fernsehen keine Spenden, ohne Spenden keine Kampagnen. Also sucht man nach einer „high visibility Crisis“, einem unübersehbaren Konflikt wie 1999 im Kosovo. Oder man stellt eine solche Krise symbolisch her. Wie zum Beispiel Greenpeace: Seine Schlauchboote versperrten Gifttankern die Passage. Archaische Bilder von „David gegen Goliath“ oder eben der Arche Noah öffnen am ehesten die Herzen. Und die Portemonnaies.

Die Zeiten haben sich geändert, nicht nur in der Wirtschaft. Wer knapp bei Kasse ist, kündigt zuerst die Daueraufträge für gute Zwecke. Die Hilfsorganisationen erleben intern einen Generationswechsel und konkurrieren miteinander. Dabei nehmen sie schon mal mindere Rechtsbrüche und Regelverstöße in Kauf. Zum Beispiel gilt das Eindringen auf Firmengelände oder Mülldeponien, um dort Spruchbanner flattern zu lassen, bei vielen als zulässiges Kampagnenmittel. Inzwischen kommen unlautere Aussagen hinzu und halb richtige Darstellungen. Exotische Themen oder Alarmismus werfen den Spendenmotor an.

Unlängst nun gab der alte „Cap-Anamur“-Chef Neudeck das Steuerruder weiter an Elias Bierdel. Auch dessen Verhaftung ist die Geschichte einer Verkettung mit den Medien. 37 Afrikaner hatte die „Cap Anamur“ an Bord, unterwegs aufgelesen auf dem langem Seeweg von den Kanaren über Westafrika, Malta bis Sizilien. Bald hieß es, es handle sich um Sudanesen. So einfach ist die Assoziationskette: „Cap Anamur“ – Krieg – Flüchtlinge. Die Wirklichkeit ist komplizierter. Offenbar stammen diese Afrikaner aus Ghana und Sierra Leone und sind auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Da kennen die Behörden wenig Gnade, auch die Bevölkerung reagiert nicht mehr so enthusiastisch wie in den Wohlstandsjahren. Humanitäre Hilfe für vom Tode Bedrohte – ja. Asyl für Wirtschaftsflüchtlinge – nein.

„Das Boot ist voll“, das ist keine Erfolgsmeldung der Hilfsorganisationen für den nächsten Fernsehbericht. Sondern so ist die Stimmung in vielen Staaten Europas. Vom dramatischen Hilfsappell der Aktivisten, vom Pathos der Anti-Vietnamkrieg-Stimmung ist nicht viel übrig. Auch eine Schiffsladung hunderter Iraker mit Anti-Bush-Transparenten hätte heute wenig Chancen auf ein überwältigendes Echo. Selbst wenn die 37 Afrikaner auf Sizilien tatsächlich aus Sudan stammten – aus der derzeit schlimmsten Krisenregion Darfur –, wäre es nicht sicher, dass sie in der EU Asyl erhielten. Wäre nicht dies der bessere Weg: Flüchtlingslager in den Nachbarländern Sudans, in denen die Opfer überleben, und politischer Druck, damit sie bald in ihre Heimat Darfur zurückkehren können?

Greenpeace hat im Kampf um die Entsorgung der Ölbohrplattform Brent Spar mit fragwürdigen Methoden Glaubwürdigkeit verloren. Passiert nun Ähnliches mit der „Cap Anamur“? Der Streit um das Schicksal des Flüchtlingsschiffs kann noch Gutes bewirken: Wenn er endlich größere Aufmerksamkeit auf den Völkermord in Sudan lenkt und westliche Regierungen zum Handeln zwingt.

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