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Politik: Alarm im Supermarkt

43 Prozent der Haushalte haben weniger als 100 Euro im Monat zur freien Verfügung – zu wenig, um Markenprodukte zu kaufen

Von Henrik Mortsiefer

Jacobs Krönung verliert sein Verwöhnaroma. Immer mehr Kaffeetrinker begnügen sich mit Gold Kaffee von Aldi oder anderen Handelsmarken und lassen Jacobs Jacobs sein. Denn: Den Deutschen fehlt das Geld für teure Markenprodukte. 43 Prozent der Bundesbürger leben inzwischen in Haushalten, die neben ihrer üblichen Lebenshaltung nicht einmal 100 Euro im Monat zur Verfügung haben. Vor zwei Jahren waren es noch 37 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die am Montag vorgestellte Verbraucher-Analyse 2003 der Verlage Bauer und Springer. Gleichzeitig sank der Bevölkerungsanteil mit einem monatlichen Budget von mehr als 300 Euro von 20 auf knapp 17 Prozent. „Die Markenartikler sehen sich einer neuen Gefahr ausgesetzt“, warnen die Marktforscher. Alarm im Supermarkt.

Nachdem die Schnäppchenjäger zuerst ihren Geiz entdeckten, bei Discountern zu Billigmarken griffen und dem Fachhandel den Rücken kehrten, machen den Markenherstellern jetzt die schwache Konjunktur und die Arbeitslosigkeit einen Strich durch die Rechnung. Das, was bei vielen Verbrauchern in der Haushaltskasse bleibt, reicht nicht mehr für teure Namen. Deshalb gaben nur noch 41 Prozent der von September 2001 bis März 2003 befragten 31000 Personen an, beim Einkauf mehr auf die Marke als auf die Preise zu schauen. Vor zehn Jahren waren es noch 54 Prozent. „Die Konsequenzen sind dramatisch“ erklärt Wilfried Wenzel, Leiter der Springer-Marktforschung. „Denn nur Personen mit finanziellem Spielraum sind Marken gegenüber aufgeschlossen.“ Helfen soll die Werbung. Aber mit einer Marken-Kampagne ist es allein nicht getan – zumal nicht, wenn sie im Fernsehen läuft. Denn dort, so die Marktforscher, werden vor allem ärmere Haushalte angesprochen. Sie begnügen sich bei ihrer Freizeitgestaltung häufiger als die reicheren mit einem Abend vor dem Fernseher. Konsequenz: Die Markenartikler verfehlen mit teuren TV-Spots ihre Zielgruppe.

Um aber nicht nur die zahlungskräftigen Kunden bei der Stange zu halten, empfehlen die Marktforscher den Herstellern mehr Bodenhaftung. „Statt eine schöne neue Markenwelt zu verkaufen, sollte mehr der Gebrauchswert des Produkts betont werden“, rät Adrian Weser, Marktforscher bei Bauer. „Der Kunde will nicht nur ein gutes Feeling.“ Doch auch die guten Gründe, warum ein Markenprodukt teurer sein darf als ein No-Name, kommen den Herstellern abhanden. Die Stiftung Warentest zeigt es einmal im Monat: Markenprodukte haben häufig auch ein Qualitätsproblem.

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