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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der albanische Premierminister Edi Rama am Mittwoch im Kanzleramt.

© Michael Kappeler/dpa

Albanien und die EU: Reise mit Hindernissen

Albaniens Regierungschef Rama dringt auf den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen - aber in der Unionsfraktion gibt es Bedenken.

Wenn es nach dem albanischen Premierminister Edi Rama geht, dann ist die Sache klar. Albanien dürfe „keine Zeit verlieren beim Warten auf die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen“, sagte 53-Jährige am Mittwoch im Kanzleramt vor einem Treffen mit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Trotz der Defizite Albaniens beim Kampf gegen die weit verbreitete Korruption und die Organisierte Kriminalität hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche empfohlen, EU-Beitrittsgespräche mit Tirana aufzunehmen. Die Empfehlung gehört zur Strategie der Kommission, die eine langfristige EU-Mitgliedschaft für die sechs Länder des westlichen Balkans vorsieht. Nach den Vorstellungen der Brüsseler Behörde könnten die Länder Serbien und Montenegro, die bereits Beitrittsverhandlungen führen, bis 2025 der Gemeinschaft beitreten.

Merkel legt sich zu Beitrittsgesprächen nicht fest

Ob demnächst auch Beitrittsgespräche mit Albanien beginnen, entscheiden die EU-Mitgliedstaaten – und damit nicht zuletzt auch Deutschland. Deshalb kam der Begegnung des albanischen Regierungschefs Rama mit Merkel in Berlin eine besondere Bedeutung zu. Allerdings legte sich die Kanzlerin bei dem gemeinsamen Auftritt mit Rama im Kanzleramt nicht fest in der Frage, ob sie die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen unterstützt. Bis zum entscheidenden EU-Gipfel im Juni werde sie sich noch eine „abschließende Meinung bilden“, erklärte sie.

Für den Gast aus Tirana boten sich am Mittwoch in Berlin zahlreiche Gelegenheiten, um für den Beginn von EU-Verhandlungen zu werben. Vor seiner Begegnung mit Merkel hatte er den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) und die Mitglieder des Europaausschusses des Bundestages getroffen. Nach den Angaben von Teilnehmern berichtete der Premierminister vor dem Europaausschuss über Fortschritte bei einer systematischen Korruptionsüberprüfung, der sich die Beschäftigten im albanischen Justizwesen unterziehen müssen. Bei dieser Überprüfung müssen die Justizangestellten unter anderem ihre Vermögensverhältnisse offenlegen.

Dennoch stehen viele Unionsabgeordnete einem möglichen Beginn von Beitrittsgesprächen mit Tirana kritisch gegenüber. Die Skeptiker führen das Argument ins Feld, dass die EU im Fall Albaniens nicht noch einmal denselben Fehler machen solle wie mit Bulgarien und Rumänien. Die beiden osteuropäischen Länder traten 2007 der EU bei, obwohl sie nach der Einschätzung vieler Fachleute für die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft noch nicht reif waren.

Bislang hat sich in der Unionsfraktion noch keine eindeutige Haltung zu der Frage herausgeschält, wie man mit Tiranas Wunsch nach der Aufnahme von Beitrittsgesprächen umgehen soll. Einige Abgeordnete befürworten den Beginn von Beitrittsverhandlungen, wollen dies aber an Bedingungen wie eine weitere Reform des Justizsystems knüpfen. Andere wie der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestages, Gunther Krichbaum, halten den Beginn von Gesprächen zum jetzigen Zeitpunkt in jedem Fall für verfrüht. Wie die Diskussion in der Unionsfraktion ausgeht, ist nach den Worten von Krichbaum völlig offen. Es gebe „erhebliche Vorbehalte“ gegen einen raschen Beginn von Gesprächen, sagte der CDU-Mann dem Tagesspiegel.

Zwar will Krichbaum einen langfristigen EU-Beitritt Albaniens und anderer Länder des westlichen Balkans nicht ausschließen, weil damit die gesamte Region aus dem politischen Niemandsland zwischen der EU, Russland und der Türkei herausgeführt werden könnte. Allerdings hatte sich Krichbaum bereits in der jüngeren Vergangenheit kritisch über eine mögliche Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Tirana geäußert – mit der Folge, dass er in den Fokus albanischer Medien geriet, die dem Ministerpräsidenten Rama nahestehen. Wegen der Medienkampagne sagte eine Delegation der Unionsfraktion einen für Anfang Mai vorgesehen Besuch in Albanien ab. Unter einem schlechten Stern stand auch ein Abendessen mit Rama, zu dem die albanische Botschaft in Berlin am Mittwochabend eingeladen hatte: Aus der Unionsfraktion hagelte es vor dem Dinner Absagen.

SPD steht Beitrittsgesprächen offener gegenüber

Offener steht indes die SPD einem möglichen Beginn von Beitrittsgesprächen mit Tirana gegenüber. „Der Beitrittsprozess fördert die Demokratisierung des Landes in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität“, sagte der SPD-Abgeordnete Josip Juratovic. Auch der Grünen-Abgeordnete Manuel Sarrazin hat nichts gegen einen Verhandlungsstart. Seine Begründung: „Der Beginn der Verhandlungen ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines langjährigen und knallharten Reformprozesses.“

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