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Politik: Albtraum in Afghanistan

Berlin - Es ist ein rabenschwarzer Monat für die Bundeswehr in Afghanistan, dieser August 2008. Drei schwere Angriffe auf deutsche Soldaten in vier Wochen, das hat es seit Beginn der Mission am Hindukusch Anfang 2002 nicht gegeben.

Berlin - Es ist ein rabenschwarzer Monat für die Bundeswehr in Afghanistan, dieser August 2008. Drei schwere Angriffe auf deutsche Soldaten in vier Wochen, das hat es seit Beginn der Mission am Hindukusch Anfang 2002 nicht gegeben. Die traurige Bilanz: Ein toter deutscher Soldat – der insgesamt 27. – und mehrere Schwerverletzte. Außerdem erschossen deutsche Soldaten in der vergangenen Woche erstmals einen Angreifer. Und jetzt das: Drei tote und zwei verletzte Zivilisten – darunter Kinder – an einem Checkpoint, an dem deutsche Soldaten und afghanische Polizisten kontrollierten, getötet vermutlich von Kugeln aus deutschen Waffen, wie die Bundeswehr am Freitagabend eingestand.

Es wird wohl Tage dauern, bis Militär, örtliche Polizei und auch deutsche Staatsanwaltschaft im Detail geklärt haben, was am Donnerstag in Nordafghanistan passierte. Fest steht: Es ist das erste Mal, dass Zivilisten bei einem Zwischenfall mit deutschen Soldaten der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) starben. Und das ist ein Albtraum. Natürlich für die Angehörigen der Afghanen, aber auch für die Bundesregierung, für Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und für alle, die seit Jahren versuchen, den Einsatz zu legitimieren. Denn sie argumentieren, Ziel des Isaf-Einsatzes sei, den Aufbau des geschundenen Landes zu unterstützen und abzusichern – und damit letztlich Deutschland zu schützen, weil so verhindert werde, dass dort neuer Terrorismus aufkeimt.

Bislang konnten sich deutsche Politiker darauf zurückziehen, dass es zivile Opfer nur bei Aktionen anderer Nationen gegeben hat – meist der US-Truppen. Die dann Trauer, Wut und gewalttätige Proteste auslösen. Wie vor einer Woche, als bei einem US-Luftangriff in der westlichen Provinz Herat viele Menschen – die Zahlen schwanken zwischen 25 (US-Angaben) und 90 (afghanische Regierung) – ums Leben kamen.

Experten warnen schon länger, dass sich die Sicherheitslage im lange Zeit als vermeintlich ruhiger geltenden Einsatzgebiet der Bundeswehr im Norden des Landes dramatisch verschärft habe. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, soeben von einer weiteren Reise aus Afghanistan zurückgekehrt, sagte dem Tagesspiegel, im Raum Kundus habe es noch vor einem Jahr nur eine Terrorzelle mit einer Handvoll Aktivisten gegeben. Jetzt seien es fünf Zellen zwischen zehn und 20 Mann, die regelmäßig aktiv seien.

Für die Extremisten und die Taliban wird es durch den aktuellen Vorfall noch leichter, Rückhalt für ihre Attacken auf deutsche Soldaten in der afghanischen Bevölkerung zu bekommen. Für die deutsche Politik wird es noch schwerer werden, den ohnehin schon umstrittenen Einsatz glaubwürdig zu vertreten. Am 12. Oktober soll das Mandat im Bundestag um 14 Monate verlängert – und sogar um 1000 auf 4500 Soldaten erhöht werden.

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