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Griechenlands Premier Alexis Tsipras kämpft gegen Widerstand in seiner eigenen Partei

© REUTERS/Yiannis Kourtoglou

Alexis Tsipras und Syriza: Warum Griechenland vor Neuwahlen steht

Innerhalb der Syriza-Partei von Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras tobt ein Machtkampf um die Zukunft des Bündnisses. Das könnte zu schnellen Neuwahlen führen. Eine Analyse.

In Athen verhandelt die Regierung mit den Gläubigern. Es geht um alles: Privatisierungen, Renten, Justizreformen, die Rechte von Gewerkschaften und ein weiteres Kreditpaket von 86 Milliarden Euro. Spätestens bis zum 20. August muss eine Einigung über neue Kredite stehen, sonst wird es eng mit der nächsten griechischen Zahlung von 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank. Verglichen mit der Situation noch vor wenigen Wochen und Monaten laufen diese Verhandlungen bisher relativ friedlich ab, es gibt kaum öffentliche Schuldzuweisungen oder Gerüchte, keine Massendemonstrationen vor den Treffen. Doch der Schein trügt.

Innerhalb der Regierungspartei Syriza, für die Finanzminister Euklid Tsakalotos mit den Geldgebern verhandelt, gibt es für einen möglichen Kompromiss mindestens so viel Widerstand wie Zustimmung. Am Dienstag hat einer der Anführer des linken Flügels, Panagiotis Lafazanis, der bis vor kurzem noch Energieminister im Kabinett Tsipras war, seine Parteigenossen öffentlich aufgefordert, einer wie auch immer ausgehandelten Einigung nicht zuzustimmen. Dabei betont er immer wieder, dass er nicht gegen die eigene Regierung sondern nur gegen die aus Brüssel diktierten Zwänge arbeite. Diese Einstellung haben viele Syriza-Politiker. Sie sehen sich ihrem Wahlprogramm - das tatsächlich den Absprachen mit der Troika fundamental entgegensteht - stärker verpflichtet als den Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission. Im Zentralkomitee, dem Hauptsteuerungsorgan der Partei, hatten sich 109 von 201 Mitgliedern gegen den letzten Kompromiss vom 12. Juli gestellt. In vielen griechischen Städten ging die Parteibasis auf die Straße. Sie forderten eine stärkere Konfrontation mit den Geldgebern, alles andere sei ein Verrat am "Oxi - Nein"-Ergebnis des Referendums Anfang Juli.

Tsipras versucht nun, ein anderes Narrativ der Dinge durchzusetzen. Wer gegen seine Verhandlungsstrategie arbeite, der arbeite in Wirklichkeit für einen "Grexit", also den Austritt aus der Euro-Zone und damit für die Verelendung der Griechen. Mehr Deutungen gebe es nicht. Die angepeilte Einigung wird er wohl, wie schon die vorherige, nur mit Unterstützung der Opposition durch das Parlament bringen. Je nachdem, ob er bei dieser Abstimmung eigene Leute zurückgewinnen kann oder noch mehr Stimmen verliert, steigt und sinkt auch die Wahrscheinlichkeit für Neuwahlen. Inzwischen droht die Regierung ihren eigenen Leuten damit sehr unverhohlen: Finanzminister Tsakalotos und Regierungssprecherin Olga Gerovasili nannten sie "wahrscheinlich". Eine Regierung, die im Parlament keine eigene Mehrheit habe, könne so auf Dauer nicht weiter regieren.

Zwar ist ein Syriza-Parteitag erst für September geplant, doch eine Entscheidung für Neuwahlen könnte schon kurz nach der Abstimmung über das dritte Hilfspaket fallen. Als wahrscheinlicher Termin wird ein Wochenende im Oktober gehandelt. Für Alexis Tsipras ist diese Option aus mehreren Gründen attraktiv: in Umfragen führt er mit Syriza aktuell mit großem Abstand, manche Institute halten eine absolute Mehrheit für möglich. Die konservative Opposition, die den Pro-Troika-Kurs stützt und weit abgeschlagen auf Platz zwei in den Umfragen liegt, bietet in den Augen vieler Griechen keine echte Alternative - und schlägt sich nach dem Rücktritt von Antonis Samaras auch mit einem internen Machtkampf um die Parteispitze herum.

Bei schnellen Neuwahlen können sie eigentlich kaum stark konfrontativ gegenüber Tsipras auftreten - je länger Tsipras wartet, umso stärker könnten sie werden. Außerdem dient allein die Ankündigung möglicher Neuwahlen Tsipras zur Parteidisziplinierung, schließlich wissen viele Abgeordnete, dass sie bei einer "Nein"-Stimme wahrscheinlich nicht für das nächste Parlament aufgestellt würden. Prominente "Nein"-Sager wie die Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, Ex-Energieminister Lafazanis oder Pro-"Grexit" Ökonom Costas Lapavitsas sehen sich seit Wochen starker öffentlicher Kritik und negativer Presse ausgesetzt. Der Druck auf die gespaltene Partei - und diejenigen, die sich gegen den Premier stellen - wächst.

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