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Polizist in Magdeburg mit Alkohol-Atemmessgerät

© dpa

Alkohol am Steuer: Eine zu null Promille ernst gemeinte Grünen-Forderung?

Der Verkehrsexperte der Grünen fordert eine Null-Promille-Grenze für Autofahrer. Doch Parteichef Cem Özdemir kassiert die Initiative - offenbar aus Angst vor einer neuen Verbotsdebatte.

Von Matthias Meisner

Der Vorstoß kam von den Grünen, wurde aber auch von Fachpolitikern der Linkspartei und der SPD unterstützt. "Wir haben eine klare gesellschaftliche Akzeptanz für null Promille", sagte der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn vor einigen Tagen. Im Gespräch mit der "Saarbrücker Zeitung" kündigte der Dresdner Bundestagsabgeordnete an, dass seine Partei vor der Sommerpause einen Antrag für eine Gesetzesänderung im Bundestag einbringen werde.

Doch so weit wird es wohl nicht kommen. Jetzt kassierte Parteichef Cem Özdemir die Initiative des Fachmanns. "Es wird zu Alkohol am Steuer keinen grünen Gesetzentwurf geben. Uns geht es nicht um eine Festlegung auf 0,0-Promille. Das wäre lebensfremd", schrieb Özdemir im Kurznachrichtendienst Twitter.

Vorausgegangen waren lebhafte Debatten - bei den Grünen selbst, aber auch in anderen Parteien. Sowohl die Linken-Verkehrsexpertin Sabine Leidig als auch ihre SPD-Kollegin Kirsten Lühmann begrüßten Kühns Initiative. Immer wieder zeige sich, "dass Menschen nach dem Konsum von Alkohol nicht einschätzen können, ob sie noch ausreichend Reaktionsfähigkeit besitzen, um ein Auto sicher im Verkehr zu steuern", sagte Leidig. Und Lühmann erklärte zu dem Grünen-Vorstoß: "Das ist ein gutes Vorhaben." Sie fügte hinzu, die Zeit sei reif "für den Beginn einer gesellschaftlichen Debatte dazu", auch wenn das Vorhaben nicht im Koalitionsvertrag stehe.

Am Wochenende dann zeigte sich deutlich, dass sich die Grünen als Initiatoren selbst nicht einig sind. In der "Welt am Sonntag" verteidigte Grünen-Chefin Simone Peter den Vorstoß aus ihrer Partei für eine Null-Promille-Grenze für Autofahrer. Häufig dominiere die Fehleinschätzung, „sich mit ein, zwei Gläsern Wein noch ans Steuer setzen zu können“, sagte Peter. Deshalb sagten die Grünen: "Alkohol und Autofahren, das passt nicht zusammen." Es gebe immer noch viel zu viele Verkehrstote. "Wer trinken will, soll trinken und dann andere fahren lassen, den Bus nehmen oder sich mit Freunden auch einmal ein Taxi teilen" sagte Peter.

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Kritik, die Grünen würden mit dem Vorstoß ihren Ruf als Partei der Reglementierung und Überwachung festigen, wies sie zurück. Sie habe "amüsiert zur Kenntnis genommen, welches Mäntelchen manche versucht haben, uns umzuhängen". Überwachung sei dabei aber wirklich Unsinn. Niemand kämpfe so wie die Grünen für den Schutz der Privatsphäre. "Aber bei völliger Freiheit statt Reglementierung wäre im Autoverkehr die Hölle los", sagte Peter.

Grünen-Chefin Peter sucht "praktikable Lösung" für Hustensaft

Am Sonntag relativierte Peter ihre Interview-Aussagen - offenbar auch mit Blick auf die Einwände von Özdemir: "Nein, wir planen keine konkrete Initiative. Absenkung auf 0,2 wäre gut. Wichtig ist praktikable Lösung für #Hustensaft und Co.", schrieb sie auf Twitter. Und: "Wir haben zu vielem Meinungen, planen aber nicht gleich Initiativen. Es gibt so viele wichtige Themen auf der Agenda."

Zuvor hatte die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) vor einer Null-Promille-Grenze gewarnt. "Den Kampf verlieren wir wie die ,Veggie-Debatte' im Bundestagswahlkampf", schrieb sie im Netzwerk Facebook. Damit könne sich das Image der Grünen als Verbotspartei festigen. "Lasst den Zeigefinger stecken."

Oskar Lafontaine irritiert Parteifreunde

In der Linkspartei sorgte der frühere Parteichef Oskar Lafontaine mit einer Einmischung für Irritationen - weniger wegen seiner Vorbehalte gegen die Forderung an sich, sondern wegen der von ihm genannten Begründung. Lafontaine erklärte: "Diese Forderung kann nur von Leuten kommen, für die Pommes mit Ketchup und Cola den Gipfel der Esskultur bedeuten." Zur saarländischen Lebensart gehöre aber ein gutes Essen mit einem frisch gezapften Bier oder einem guten Glas Wein, betonte der Vorsitzende der saarländischen Landtagsfraktion. "Wir sind stolz auf unsere Gastronomie und unsere Sterne-Restaurants. Die 0,5 Promille Grenze hat sich bewährt."

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Die Berliner Linken-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak konterte auf Twitter, sie werde "aus grundsätzlichen Erwägungen heraus heute mindestens einmal Pommes mit Ketchup und Cola zu sich nehmen". Der Grünen-Politiker Kühn, der die Diskussion in Gang gebracht hatte, kommentierte: "Lafontaine hat recht, zu gutem Essen gehört guter Wein. Nach Hause fahre ich dann mit Bahn, Bus oder Taxi."

In Deutschland gilt bislang die 0,5-Promille-Grenze. Nur Fahranfänger und Fahrer unter 21 Jahren dürfen keinen Alkohol getrunken haben, wenn sie sich ans Steuer setzen. Der Vorstoß der Grünen hatte eine neuerliche Debatte über die Grenze ausgelöst. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sah keinen Änderungsbedarf. (mit AFP)

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