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Politik: Alle Macht der Familie

Nach dem Präsidenten wird nun auch der Premier Kaczynski heißen – den meisten Polen gefällt das nicht

Von Matthias Schlegel

Wenn das Parlament in der kommenden Woche die Ernennung bestätigt, haben die eineiigen Kaczynski-Zwillinge in Polen die beiden wichtigsten Staatsämter inne: Nachdem Premier Kazimierz Marcinkiewicz am Montag von seinem Amt zurückgetreten ist, wurde Jaroslaw Kaczynski zum neuen Chef der nationalpopulistischen Dreiparteien-Koalition ernannt – vom Präsidenten und Zwillingsbruder Lech Kaczynski. Dass der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) nun die Regierungsgeschäfte übernehmen wird, stößt indes in der polnischen Bevölkerung auf Kritik. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Zeitung „Gazeta Wyborcza“ befürchten 60 Prozent der Befragten negative Folgen für ihr Land durch die Konzentration der Macht in der Hand der beiden Brüder.

Auf Geheiß von PiS-Chef Kaczynski hatte der bis dahin weitgehend unbekannte Marcinkiewicz im November die Regierungsgeschäfte übernommen. Und auf Wunsch seines Förderers und Nachfolgers musste der volksnahe Premier sie nun wieder abgeben. Der empfindliche Kaczynski hatte sich zuletzt von seinem populär gewordenen Statthalter mehrmals übergangen gefühlt, ihm indirekt eine zu weiche Haltung in der internationalen Arena vorgeworfen. Als kommissarischer Bürgermeister von Warschau soll Marcinkiewicz nun bei der Kommunalwahl im Herbst als Spitzenkandidat in der Hauptstadt ins Rennen gehen. Mit der Verbannung ins Warschauer Rathaus verliert Marcinkiewicz auch sein Abgeordnetenmandat im Sejm.

Schon vor seiner Nominierung kündigte der neue Premier in Interviews eine „Änderung“ der Außenpolitik des Landes an. Polen müsse die Mitgliedschaft in der EU zur „Stärkung des Nationalstaates“ nutzen. „Wir lassen uns nicht einreden, dass es in Europa keine Nationalstaaten und keine nationale Politik gibt, den diese wird nachweislich von unseren Partnern geführt“ sagte der PiS-Chef dem Wochenblatt „Wprost“: „Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht auch tun sollten.“ Gefragt nach den Aussichten einer Verbesserung des schwierigen Verhältnisses zu Deutschland, sagte Jaroslaw Kaczynski, dass „eher die Partner das Verhältnis verbessern sollten“. Mit Bezug auf einen umstrittenen „taz“-Artikel fügte er hinzu: „Denn wir haben niemand beleidigt.“

Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, sieht die Gründe für die abgekühlten Beziehungen dagegen in Polen selbst. So habe die PiS nicht mit der zweitstärksten Partei koaliert, sondern sich „sehr zielstrebig zwei sehr weit am rechten Rand stehenden Gruppierungen zugewandt“, sagte Polenz dem Tagesspiegel. Er hält es „für den falschen Ansatz, gegenseitig hohe Erwartungen vorzuformulieren“. Vielmehr müsse es jetzt um die gemeinsame Politik gegenüber der Ukraine und um eine gemeinsame Energiepolitik gehen. „Deshalb wäre es dringend nötig, dass auch das Weimarer Dreieck kraftvoll arbeitet“, sagte Polenz. Das kürzlich ausgefallene Spitzentreffen zwischen Deutschland, Polen und Frankreich „sollte im Herbst nachgeholt werden“.

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