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Politik: „Alle notwendigen Maßnahmen“

UN-Sicherheitsrat beschließt Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen – Russland und China enthalten sich

„Wenn Gaddafi siegt, sendet das die klare Botschaft, Gewalt zahlt sich aus“, schrieb Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf seiner Facebook-Seite am Donnerstag und nannte das Vorgehen des libyschen Regierungschefs Muammar al Gaddafi ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Lange Zeit sah es nicht so aus, als würde sich die Weltgemeinschaft auf eine einheitliche Linie verständigen können. Frankreichs Außenminister Alain Juppé flog eigens nach New York, um vor dem UN-Sicherheitsrat für ein militärisches Eingreifen zu plädieren. Frankreich und Großbritannien legten einen Resolutionsentwurf vor – und setzten sich schließlich durch: Der Sicherheitsrat verabschiedete am späten Donnerstagabend (Ortszeit) die Resolution, mit der die Luftwaffe des libyschen Diktators am Boden gehalten werden soll.

Die UN-Resolution erlaubt Luftschläge und alle anderen „erforderlichen Maßnahmen“ zum Schutze der Zivilisten in Libyen. Ausgenommen ist der Einsatz von Bodentruppen. Die UN-Mitgliedstaaten dürfen auch individuell handeln. Paris hatte sich unmittelbar vor der Sitzung des UN-Gremiums für eine militärische Aktion in Libyen noch „in den kommenden Stunden“ ausgesprochen, für den Fall, dass die UN grünes Licht dafür gäben.

Die USA vollzogen unter dem Eindruck der Ereignisse in Libyen einen Sinneswandel und ziehen nun ebenfalls militärische Schritte in Betracht, „die eine Flugverbotszone einschließen und vielleicht auch darüber hinausgehen“, wie die Botschafterin Washingtons bei den UN, Susan Rice, formulierte. Die Einsatzpläne der Nato sind offenbar fertiggestellt. Russland und China, die als ständige Mitglieder mit ihrem Veto das Vorhaben hätten zu Fall bringen können, enthielten sich. Russland hatte erst im Januar 2010 mit Libyen Waffenlieferungen in Höhe von vier Milliarden Dollar vereinbart, ein Geschäft, das noch nicht abgewickelt ist. Und China war vor Beginn des Volksaufstandes mit mehr als 30 000 Arbeitern in Libyen tätig. Sie bauten im Auftrag Gaddafis eine neue Eisenbahntrasse an der Küste sowie mehrere gigantische Wohnsiedlungen im Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar.

Wie der Sprecher der Aufständischen, Mustafa Gheriani, dem Tagesspiegel sagte, haben Gaddafis Kampfflugzeuge am Morgen den Flughafen von Bengasi sowie angrenzende Wohngebiete bombardiert. Über die Zahl der Opfer gab es zunächst keine Informationen. Die Behauptung des libyschen Staatsfernsehens, die Bodentruppen des Regimes stünden vor den Toren der Hafenstadt, bezeichnete er als „Propagandalüge“. Nach seinen Angaben haben die Regimegegner einen der eingesetzten Kampfjets über Bengasi abgeschossen. Auch die strategisch wichtige Stadt Ajdabiya sei nach wie vor in der Hand der eigenen Kämpfer. Unterdessen drohte Gaddafi den Aufständischen in Bengasi ein erbarmungsloses Vorgehen an. In der Nacht zum Freitag würden seine Soldaten in die Rebellenhochburg einrücken, sagte Gaddafi in einer Ansprache. „Es wird keine Gnade geben.“ Unbewaffnete Einwohner hätten nichts zu befürchten, aber es werde jedes Haus durchsucht.

Derweil rüsten sich Hilfsorganisationen an der libysch-ägyptischen Grenze für einen Massenansturm von Flüchtlingen. In den letzten Tagen waren bereits zahlreiche Autos mit Familien aus Tobruk, Al Baida und Bengasi zur Grenze gekommen, um sich auf ägyptischem Territorium in Sicherheit zu bringen. Bislang campieren rund 3000 Afrikaner nahe der Grenzstation, die meisten haben keine Papiere. Sie dürfen jedoch nicht weiter nach Ägypten einreisen, auch weil Kairo unter ihnen ehemalige Söldner Gaddafis vermutet. Auch das Internationale Rote Kreuz und die Organisation Ärzte ohne Grenzen haben ihr Personal in den letzten Tagen aus Bengasi abgezogen.

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