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Helm auf! Philipp Rösler, Wirtschaftsminister und FDP-Chef, ist in seiner Partei sehr umstritten. In Umfragen rangieren die Liberalen unter fünf Prozent. Foto: Oliver Berg/dpa

© dpa

Politik: Allein am Rhein

Die FDP-Fraktionsklausur in Mainz könnte der Abrechnung mit Parteichef Philipp Rösler dienen.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Vor zwei Jahren hat Philipp Rösler zum Geburtstag das Buch „Die Kunst des Krieges“ geschenkt bekommen. Darin beschreibt der chinesische Philosoph Sunzi detailliert, wie man als Kriegsherr listig agiert. Und er warnt seine Leser, sich vor jeder Schlacht sehr genau mit dem Wesen des Gegners und seinen eigenen Stärken zu beschäftigen. Philipp Rösler war damals 37 Jahre alt und so etwas wie die Geheimwaffe der FDP.

An diesem Donnerstag trifft sich die FDP-Bundestagsfraktion zu ihrer alljährlichen Klausurtagung in Mainz, Rösler ist mittlerweile seit gut eineinhalb Jahren Vorsitzender der Partei, es ist ihm seither nicht in einer einzigen Woche geglückt, die FDP deutlich über die Fünfprozentmarke in den Umfragen zu heben, und in diesem Sommer hat er gerade die dritte Schlacht verloren.

Entsprechend gereizt ist die Stimmung unter den Liberalen, die gerade aus der Sommerpause zurückkehren und sich in den nächsten zwei Tagen auf den Endspurt zur Bundestagswahl 2013 vorbereiten wollen. Fraktionschef Rainer Brüderle hat zwar im Vorfeld der Klausur davor gewarnt, sich mit Personalfragen aufzuhalten und ein inhaltsreiches Arbeitstreffen angekündigt. Doch den 93 Männern und Frauen der FDP geht ganz etwas anderes durch den Kopf. Wenn sich an den miesen Umfragewerten nicht bald etwas ändert und die FDP in einem Jahr nur mit Ach und Krach den Einzug in den Bundestag schafft, dann müssen sich die meisten von ihnen bald einen neuen Job suchen. Jeder Schritt, den Rösler setzt, jeder seiner Schachzüge, wird daher in den eigenen Reihen mit Argwohn verfolgt. Und am Ende dieses Sommers wächst der Zweifel unter den Parteifreunden, ob es nicht besser wäre, eher früher als später den Mann an der Spitze auszuwechseln und ohne ihn in den Wahlkampf zu ziehen. Die Landtagswahl in Niedersachsen im Januar gilt mittlerweile als letzte Station für den Pferdewechsel. Später, heißt es, gar erst zum Parteitag im Mai, wäre zu spät, um die Wähler noch von der Ernsthaftigkeit eines neuen Vorsitzenden zu überzeugen.

Für Philipp Rösler geht in diesem September so etwas wie eine Bewährungszeit zu Ende. Zum Jahresbeginn hatte er mit dem Thema „Wachstum“ einen eigenen inhaltlichen Akzent setzen wollen, was schiefging. Im Frühjahr dann hatte ihm sein einstiger Generalsekretär Christian Lindner das Image des Hoffnungsträgers der Partei abgejagt. Nun sollte er über den Sommer zeigen, ob er das Zeug hat, die Partei zu einen und inhaltlich für das Wahljahr auszurichten. Doch auch das ist ihm misslungen. Erst lavierte Rösler in der Frage Griechenland zwischen staatsmännischem Europa-Kurs und populistischem Athen-Bashing hin und her und hinterließ den Eindruck, die FDP schwanke zwischen Pro-Europa-Kurs und nationalistischem Egoismus. Dann setzte sich Rösler unabgesprochen an die Spitze derer, die das Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften einführen wollen – was auch in seiner eigenen Partei hoch umstritten ist und keine Chance auf Durchsetzung in der Koalition hat.

Anfang der Woche desavouierte der Vorsitzende dann schließlich auch noch die Vorsitzende des nicht ganz unbedeutenden bayerischen Landesverbandes, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Öffentlich ließ er am Montag seinen Generalsekretär und engen Freund aus Niedersachsen, Patrick Döring, verkünden, dass sich im Präsidium der FDP niemand hinter ihre Gesetzespläne zur Bestrafung von Steuer-CD-Ankäufen gestellt hat. Unabhängig vom inhaltlichen und taktischen Vorgehen der Justizministerin löste das sofort Abwehrreflexe in Partei und Fraktion aus. Erst nahm Rainer Brüderle die Ministerin öffentlich in Schutz (obwohl er in der Präsidiumssitzung dazu geschwiegen hatte), dann folgten ihm Lindner und der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Als dann auch noch der innerparteilich geachtete Finanzexperte Hermann Otto Solms einen Brief an die Abgeordneten öffentlich machte, in dem er das Ehegattensplitting verteidigte, sah alles nach einer klaren Grenzziehung aus: hier Philipp Rösler – dort die FDP.

Als Alternativen an der Spitze der FDP werden neuerdings unverblümt zwei Namen genannt: Rainer Brüderle und Christian Lindner. Beide haben in den letzten Wochen zwar beteuert, sie liebten ihre Ämter und wollten sie auch weiter ausüben. Das wird allerdings nicht ernst genommen, schließlich steht 2013 die Zukunft der FDP insgesamt auf dem Spiel, da müssen aktuelle Vorlieben Einzelner im Zweifel zurückstehen. Offen ist die Frage, ob Brüderle und Lindner den Führungswechsel gemeinsam bewerkstelligen werden oder jeder für sich. Philipp Rösler, der Parteivorsitzende, sieht nur noch wie eine Randfigur aus.

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