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Politik: Allein unter Freien

Von Robert Birnbaum Falls Jürgen W. Möllemann geglaubt haben sollte, sein erstes Einlenken würde reichen - es reicht nicht.

Von Robert Birnbaum

Falls Jürgen W. Möllemann geglaubt haben sollte, sein erstes Einlenken würde reichen - es reicht nicht. Dem Zentralrat der Juden jedenfalls reicht es nicht, Hildegard Hamm-Brücher reicht es nicht, und seit Mittwoch kursiert in der FDP eine Unterschriftensammlung von Leuten, denen es auch nicht reicht. „Wir wehren uns dagegen, dass die FDP von außen oder innen zu einer Partei der Populisten gemacht wird“, heißt es im Aufruf. Möllemann müsse seine Vorwürfe „nicht nur relativieren, sondern zurücknehmen". Bis Freitag, wenn sich der FDP-Bundesvorstand in Berlin zur Krisensitzung trifft, hofft Mitinitiator Martin Matz ein paar Hundert Unterstützer mobilisieren zu können – als Gegengewicht gegen Möllemanns Darstellung, die Leute stünden hinter ihm.

Dabei steht nicht einmal mehr sein Mentor Hans-Dietrich Genscher hinter ihm. Dass Genscher gebrüllt habe, wie die „Bild"-Zeitung behauptet, lässt Möllemann als „frei erfunden“ zurückweisen. Richtig bleibt, dass der Ehrenvorsitzende am Montag in seinem Tagesspiegel-Beitrag seine Hand öffentlich von dem Schützling genommen und ihm intern zum taktischen Rückzug geraten hat.

„Ich war zornig und bin dann aus der Haut gefahren“, hat der Chef der NRW-FDP daraufhin am Dienstagabend im WDR gesagt. „Aber den Vergleich hätte ich besser doch weglassen sollen.“ Zornig? Besser weglassen sollen? „Das reicht nicht“, sagen die Kritiker.

Möllemann, so ergänzt FDP-Präsidiumsmitglied Matz, habe schließlich nicht nur zwei Wochen lang auf seiner Position beharrt, sondern obendrein einen von ihm selbst gebilligten Beschluss des FDP-Präsidiums sofort anschließend ignoriert. Matz hat zusammen mit jüngeren Freidemokraten, aber auch Landespolitikern wie Ruth Wagner (Hessen) und Walter Hirche (Niedersachsen) oder Möllemanns Vize in NRW, Andreas Pinkwart, einen Aufruf verfasst. „Die FDP ist eine liberale Partei, in der rechtspopulistische Töne nichts zu suchen haben“, heißt es darin. „Wer mit rechtem Gedankengut spielt, macht sich der geistigen Brandstiftung schuldig.“ Möllemanns Äußerungen gegen den Zentralratsvize Michel Friedman seien geeignet, „von denen als Rechtfertigung verstanden zu werden, die den Juden selbst die Schuld am Antisemitismus geben". Darum müsse Möllemann sie zurücknehmen - so wie Friedman seinen Vorwurf des Antisemitismus zurückziehen solle.

Am Mittwoch hat auch Möllemann erkannt, dass es nicht reicht. In einem Brief an den Zentralratsvorsitzenden Paul Spiegel nennt er sein Vergehen zum ersten Mal beim n: Dass er Friedman für Antisemitismus mitverantwortlich gemacht habe, sei ein „Fehler“ gewesen. Friedman solle aber nun auch aus der Welt schaffen, dass er ihn wegen seiner Kritik an Israels Regierungschef Ariel Scharon als Antisemiten bezeichnet habe. Paul Spiegel ist über diese „Klarstellung“ befremdet, heißt es in seinem Antwortschreiben. Enttäuscht hat ihn vor allem eines: Er könne weder „den Tenor einer Entschuldigung noch das Wort selbst finden“.

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