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Politik: Alles auf Anfang?

Anwälte des gerade verurteilten Terrorhelfers Motassadeq kündigen langen Kampf gegen das Urteil an

Von Frank Jansen

Hamburg/Berlin - Es war ein Kraftakt – vollbracht in der Hoffnung, damit sei der monströse Fall für das Hamburger Oberlandesgericht endlich vom Tisch. Doch hundertprozentig sicher ist es nicht, dass nach der Marathonsitzung am Montag, die erst am Abend mit dem Urteil gegen den Terrorkomplizen Mounir al Motassadeq endete, das Verfahren abgeschlossen ist. Die Anwälte des Marokkaners werden gegen die Höchststrafe von 15 Jahren Haft mit allen juristisch möglichen Mitteln vorgehen. Auch wenn die Erfolgsaussichten bescheiden wirken – nach den turbulenten Jahren, in denen sich das Hamburger Gericht in einer ganzen Prozessserie mit den Anschlägen des 11. September 2001 auseinandergesetzt hat, erscheint keine Wende mehr unvorstellbar. Unterdessen haben Motassadeqs Anwälte am Dienstag Revision gegen den Richterspruch eingelegt. Außerdem liegen schon seit Dezember zwei Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht.

Selbst der Vorsitzende Richter des 7. Strafsenats, Carsten Beckmann, deutete am Montag bei der Urteilsbegründung an, offene Fragen seien womöglich noch „auf anderen Wegen“ zu klären. Was damit gemeint ist, war in dem zweitägigen Prozess schon zur Sprache gekommen: Die Verteidiger streben ein Wiederaufnahmeverfahren an. Setzen sie sich durch, wäre ein vierter Prozess gegen Motassadeq fällig. Und die Zahl der Hamburger Terrorprozesse würde sich sogar auf fünf erhöhen, rechnet man die chaotische Hauptverhandlung gegen Motassadeqs Freund und Landsmann Abdelghani Mzoudi hinzu, den das Gericht im Februar 2004 vom Vorwurf freisprach, den Selbstmordpiloten geholfen zu haben.

Mzoudi dürfte in einem Antrag auf ein Wiederaufnahmeverfahren für Motassadeq eine wichtige Rolle spielen. Motassadeqs Anwalt Udo Jacob sagte am Montag, der in Marokko lebende Mzoudi sei bereit, als Zeuge auszusagen. Demnach hat er seine Meinung geändert: Im Juni 2005, im zweiten Prozess gegen Motassadeq, verweigerte Mzoudi eine Aussage zur Sache. Aus Sorge, er könnte sich belasten und liefe Gefahr, die Bundesanwaltschaft werde gegen ihn ein Wiederaufnahmeverfahren anstrengen, nachdem sie beim Bundesgerichtshof mit dem Antrag gescheitert war, den Freispruch aufzuheben.

Motassadeqs Anwälte kündigten am Montag an, Mzoudi werde bezeugen, dass die Attentäter des 11. September 2001 eigentlich in Tschetschenien kämpfen wollten. Daran habe Motassadeq geglaubt, von Plänen für Anschläge in den USA sei ihm nichts bekannt gewesen. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft in Hamburg bewerteten diese Argumente als abwegig.

Der Fahrplan der Verteidiger Motassadeqs sieht so aus: Zunächst wird abgewartet, wie der Bundesgerichtshof über ihren Revisionsantrag entscheidet – wahrscheinlich negativ, denn der BGH hatte die Höchststrafe gegen Motassadeq beinahe erzwungen, als er im November das Urteil aus dem zweiten Hamburger Prozess teilweise aufhob und den Schuldspruch verschärfte. Nach dem erwarteten Scheitern der Revision würden die Anwälte dann beim Hamburger Gericht das Verfahren auf Wiederaufnahme beantragen.

Die Hürden sind hoch. Laut Strafprozessordnung kann aus sechs Gründen die Wiederaufnahme zugunsten eines Verurteilten erfolgen. Zwei Kriterien kommen eventuell im Fall Motassadeq in Frage: „Wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind“, die ein anderes Urteil begründen könnten (wie eine Aussage Mzoudis), oder wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Richterspruch eine Menschenrechtsverletzung erkennt. An den Gerichtshof wollen sich Motassadeqs Anwälte notfalls auch noch wenden.

So vertrackt die Hamburger Prozessserie erscheint, so wenig sagt sie indes über die Effizienz der Terrorbekämpfung durch die deutsche Justiz aus. Den Oberlandesgerichten in Frankfurt am Main, Düsseldorf und München gelang es, Prozesse gegen militante Islamisten in erster Instanz rechtskräftig abzuschließen. Weitere Hauptverhandlungen sind in Stuttgart, München und Düsseldorf anhängig.

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