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Politik: Alles auf den Tisch

Beim ersten US-Besuch will Merkel kein Thema aussparen – auch das Verhältnis zu Russland nicht

Am Tag vor Angela Merkels Antrittsbesuch bei US-Präsident George W. Bush am heutigen Freitag haben beide Seiten unterstrichen, dass auch der Umgang mit Russland und die Sorge um die Sicherheit der Energieversorgung ein wichtiges Gesprächsthema sein werden. „Ich denke, dass wir von den Themen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bis zu den Fragen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bekämpfung des Terrorismus die gesamte Palette ansprechen werden“, sagte Merkel vor ihrem Abflug nach Washington.

Moskau ist am Montag die nächste Station der Kanzlerin. Russland hat zurzeit den Vorsitz der G 8, des Clubs der wichtigsten Industriestaaten. Der Westen benötigt Moskaus Kooperation auch, um den Konflikt um Irans Atomprogramm in den UN-Sicherheitsrat zu tragen. Zugleich wächst aber das Misstrauen gegenüber dem Kreml. Russland hatte kürzlich durch den vorübergehenden Lieferstopp von Erdgas an die Ukraine im Streit um den Gaspreis Besorgnisse im Westen ausgelöst, es könne auch den Westen eines Tages mit der Verweigerung seiner Energielieferung zu erpressen versuchen. Deutschland ist in hohem Maß abhängig von russischem Erdgas und Erdöl.

Der frühere US-Botschafter in der Bundesrepublik, Richard Burt, sagte in Washington, es sei „ein schlechter Zeitpunkt für Russlands Führung in den G 8“. Er hoffe auf eine „weniger romantische Beziehung“ der neuen Bundesregierung zu Präsident Wladimir Putin. Ein hoher US-Regierungsvertreter sagte dem „Handelsblatt“, Bush wolle im Gespräch mit Angela Merkel dafür werben, dass Deutschland seine Energieabhängigkeit von Russland verringert. „In Amerika und in Europa ist man besorgt, dass Russland auch in Zukunft Gaslieferungen als politische Waffe benutzen könnte.“ Bei politischen Debatten mit Deutschen äußern Amerikaner häufig ihr Erstaunen, dass Deutschland, die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, sich kaum an den internationalen Konsortien zur Erschließung von Energiereserven beteilige.

US-Außenministerin Condoleezza Rice lobte unterdessen die Kooperation mit Moskau im Atomstreit mit Iran. Ihr Kollege Sergej Lawrow habe ihr die Zusicherung gegeben, dass Russland sich nicht dagegen wehren werde, den UN-Sicherheitsrat mit dem Thema zu befassen.

Auf Angela Merkels Kritik am Gefangenenlager Guantanamo hat die US-Regierung gelassen reagiert. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormack, sagte, es sei auch Amerikas Ziel, langfristig auf Sonderlager für Terrorverdächtige zu verzichten. Das gehe aber nicht rasch. „Wenn wir diese Leute freiließen, würden sie sofort wieder den Kampf aufnehmen.“ Deutsche Politiker von Opposition und Regierung ermunterten Merkel, ihre Kritik, Guantanamo verstoße gegen Grundrechte und dürfe „nicht auf Dauer“ Bestand haben, im Gespräch mit Bush zu bekräftigen. „Ich wünsche mir von Frau Merkel Tapferkeit vor dem Freund“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Ähnlich äußerten sich Werner Hoyer für die FDP, Jürgen Trittin für die Grünen und Gregor Gysi für die Linkspartei.

Merkels Umgebung ließ offen, ob die Kanzlerin auch den Fall des deutschen Staatsbürger Khaled al Masri ansprechen wird, der nach eigenen Angaben 2004 von der CIA entführt, für mehrere Monate nach Afghanistan gebracht und dort misshandelt worden sei. US-Vizeaußenminister Nicholas Burns hatte im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, es sei „nur normal“, auch darüber zu reden. Bush werde sich aber nicht öffentlich entschuldigen, um nicht in ein laufendes Gerichtsverfahren einzugreifen.

Anders als für die deutschen Zeitungen und Sender war Merkels Antrittsbesuch bei Bush auch am Donnerstag noch kein Thema für die US-Medien. Über ihre Guantanamo-Kritik war zu Wochenbeginn sehr knapp berichtet worden.

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