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Politik: Alles hängt am Stromnetz

Israels Armee zerstörte im Gazastreifen auch ein Elektrizitätswerk – ein UN-Vertreter schildert die Folgen

Jerusalem/Berlin - Zweieinhalb Jahre musste eine Gruppe schwedischer Ingenieure und Techniker arbeiten, um das Elektrizitätswerk wieder flottzubekommen. Vor achtzehn Monaten verließen sie Gaza, denn endlich lief die Stromversorgung. „Und jetzt?“ Johan Eriksson muss kurz lachen, als er es erzählt. Was die Crew, die für Siemens arbeitete, in all der Zeit aufbaute, hat ein Angriff der israelischen Armee diese Woche zerstört. Die schwedischen Landsleute, die der Sprecher der UN-Hilfsorganisation UNRWA (siehe Kasten) damals in Gaza oft traf, seien entsprechend frustriert.

Die Menschen, die ohne Strom leben müssen, haben allerdings größere Sorgen: „Wir schätzen, dass im Gazastreifen derzeit 40 Prozent der Elektrizitätsversorgung fehlen“, sagt Eriksson. Das bedeutet für die etwa 1,5 Millionen Palästinenser, die im Gazastreifen wohnen, dass sich ihre schwierigen Lebensbedingungen weiter verschlechtern. Denn am Strom hängt, wie anderswo in der Welt auch, beinahe alles. Die Leute müssten wieder verstärkt Generatoren einsetzen, sagt Eriksson, aber schon jetzt sei der Treibstoff dafür knapp.

Es ist derzeit sehr heiß in der Region. „Ohne Ventilatoren ist das Leben hier fast unerträglich“, sagt Eriksson. „Die Familien schlafen nachts auf den Dächern ihrer Häuser.“ Dramatischer allerdings seien die Gefahren, die die Energieknappheit für die Kanalistaion und die Gesundheitsversorgung bedeute. Die UN-Fachleute kennen das aus früheren Krisensituationen. „Die Pumpstationen sind in Gefahr, weil Abwässer nicht abgepumpt werden können. Das bedeutet wiederum Risiken für das Trinkwasser, und auch für die chemischen Prozesse, mit denen das Wasser gereinigt wird, braucht man Energie.“

Energie, die sehr bald auch für Nothilfe fehlen könnte. „Wir können noch keine exakten Prognosen stellen“, sagt Eriksson. „Aber bei früheren Militäraktionen wurden immer große Teile der Bevölkerung von der Versorgung abgeschnitten, weil zum Beispiel Panzer die üblichen Wege dafür versperrten, die Hauptstraßen. Das ist normalerweise die Situation, in der wir Lastwagenkonvois schicken. Nun haben wir von unseren Lieferanten das Signal bekommen, dass sie uns nicht genug werden liefern können. Wir sind etwas beunruhigt, denn wir rechnen mit einem größeren Loch.“

Dabei sei die Lage schon seit Monaten dramatisch, sagt Eriksson. Auch Treibstoff kommt über Karni, den wichtigsten Warenumschlagplatz zwischen Israel und dem Gazastreifen. Die israelischen Behörden haben ihn in der Vergangenheit mehrfach aus Sicherheitsgründen geschlossen. Doch in den letzten vier Monaten, sagt Eriksson, „funktionierte Karni wegen des Zusammenbruchs der palästinensischen Wirtschaft sowieso sehr schlecht“. Seit Februar zahlt Israel die Steuern und Zölle, die es für die palästinensische Autonomiebehörde eintreibt, nicht mehr aus. Und die EU hat nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Hamas ihre Hilfen für die Palästinenser eingefroren. Seitdem können die Behörden weder ihre Angestellten noch ihre Rechnungen bezahlen; vor allem der politisch gemäßigte palästinensische Mittelstand verarmt und mit ihm die Handwerker, Händler, Lebensmittelproduzenten, die von ihm lebten.

Johan Eriksson wird mulmig, wenn er sich an frühere Krisen erinnert. Was allerdings diese bringt, will er sich gar nicht ausmalen: „Das weiß keiner“, sagt er.

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