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Politik: Alles nach Berlin?

Bund und Länder wollen den Verfassungsschutz neu organisieren. Doch die geforderte Zentralisierung ist umstritten

Von Frank Jansen

Die Debatte um eine Reform des Verfassungsschutzes gewinnt an Dynamik. „Wenn es bei den Ländern die Bereitschaft gibt, Kompetenzen beim Verfassungsschutz abzugeben, ist das ein diskutabler Vorschlag“, sagte Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier der „Financial Times Deutschland“. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte am Mittwoch, per Gesetz die 16 Landesbehörden dem Bundesamt für Verfassungsschutz als Außenstellen unterzuordnen. In Regierungskreisen wurde aber auch Skepsis laut. Es sei zum Beispiel genau zu prüfen, ob mit dem Wegfall von Landesbehörden nicht „lokales Feldwissen“ verloren ginge, hieß es.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hält eine Fusion des Berliner Verfassungsschutzes mit den Behörden anderer Länder für möglich. Sitz einer Regionalbehörde könne allerdings nur Berlin sein, sagte Körting dem Tagesspiegel. Die Stadt sei als Sitz der Bundesregierung in besonderem Maße von extremistischen Aktivitäten und Spionage betroffen. Auch das in Köln ansässige Bundesamt für Verfassungsschutz gehöre nach Berlin, um die Bundesregierung direkt und schneller beraten zu können.

Schon im November hatte Körting gefordert, das Bundesamt solle zentral alle in Deutschland anfallenden Erkenntnisse über den islamistischen Terrorismus auswerten. Der Senator wendet sich jedoch gegen eine Auflösung der Verfassungsschutzbehörden in den Ländern zugunsten des Bundesamtes. Körting mokierte sich am Mittwoch über eine entsprechende Forderung des Chefs der NRW-CDU, Jürgen Rüttgers. Die CDU habe „lautstark aufgeschrien“, als Bundesinnenminister Schily (SPD) die Verlegung der Abteilung Staatsschutz des Bundeskriminalamts aus dem rheinischen Meckenheim nach Berlin ankündigte. Doch beim Verfassungsschutz entdecke die CDU „ihr Herz für die Zentralisierung“, sagte Körting.

Für eine Fusion mehrerer Landesbehörden sprach sich Baden-Württembergs Verfassungsschutzpräsident Helmut Rannacher aus: „Eine Zahl von 16 minus x wäre sicherlich effektiver.“ Dagegen warnte sein nordrhein-westfälischer Kollege Hartwig Möller, die Diskussion um die föderale Struktur der Bundesrepublik dürfe nicht beim Verfassungsschutz anfangen. Auch die Idee einer Zentralisierung im Bundesamt für Verfassungsschutz hält Möller für falsch. Dann werde „ein riesiger bürokratischer Moloch geschaffen“, sagte Möller dem Tagesspiegel.

Zur Diskussion stehen mehrere Modelle. Das radikalste sieht die Auflösung aller Landesbehörden vor. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln sollte dann über Dependancen in den Ländern vertreten sein. Modell zwei präsentierte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz: Die Landesbehörden sollten in vier Verfassungsschutzämtern – Nord, Süd, West, Ost – konzentriert werden.

In Modell drei ist von regionalen Fusionen die Rede. Diese Konstruktion wird in den Chefetagen des Verfassungsschutzes diskutiert. Danach sollten Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ein Amt bilden. Ein „Küstenverbund“ wäre für Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen vorgesehen. Weitere Fusionen beträfen Sachsen und Thüringen sowie die Verfassungsschützer von Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Eigenständig blieben Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Bevor es zu regionalen Fusionen kommen könnte, wäre zu klären, wer die parlamentarische Kontrolle über eine Mehr-Länder-Behörde ausübt. Bislang hat jedes Landesparlament eine eigene Kommission. Vermutlich müssten die an einer Fusion beteiligten Länder Staatsverträge abschließen. Das gilt auch für die G-10-Kommissionen. Diese Parlamentsgremien entscheiden in jedem Einzelfall, ob ein Nachrichtendienst Telefon und sonstigen Postverkehr überwachen darf.

Der Fusionsidee stehen nicht nur Sicherheitsexperten in Berlin und Baden-Württemberg, sondern auch in Brandenburg, Bremen und Niedersachsen aufgeschlossen oder zumindest nicht prinzipiell ablehnend gegenüber. Der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Heino Vahldieck, empfahl hingegen, einzelne Länderbehörden könnten arbeitsteilig Schwerpunkte setzen.

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