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Politik: Alles, nur keine Revolution (Leitartikel)

Auf den ersten Blick scheint die wichtigste Nachricht, die die Rolle der Beamten in der Bundesrepublik betrifft, gestern nicht aus Bad Kissingen gekommen zu sein, wo der Beamtenbund seine jährliche Arbeitstagung abhielt, sondern aus Bad Oldesloe. Denn von dorther wurde gemeldet, der Bundeskanzler habe erklärt, er sehe nicht ein, weshalb Hochschulprofessoren lebenslang Beamte sein müssten.

Auf den ersten Blick scheint die wichtigste Nachricht, die die Rolle der Beamten in der Bundesrepublik betrifft, gestern nicht aus Bad Kissingen gekommen zu sein, wo der Beamtenbund seine jährliche Arbeitstagung abhielt, sondern aus Bad Oldesloe. Denn von dorther wurde gemeldet, der Bundeskanzler habe erklärt, er sehe nicht ein, weshalb Hochschulprofessoren lebenslang Beamte sein müssten. Es gibt eine Menge Leute, die das ähnlich sehen, und so mag Schröder manchem aus der Seele gesprochen haben. Aber die Ausrufung der (Beamtenrechts-)Revolution fand nicht statt - Schröder sprach eben weder vor Beamten noch in einer Universität, sondern bei dem Besuch eines Betriebes. Für mehr als das allgemeine Begleitgeräusch einer Routine-Veranstaltung, die den Zuhörern wohl und niemandem wehe tat, stehen diese Äußerungen vermutlich nicht. Jedenfalls waren sie kein Zeichen für eine grundlegende Reform des Beamtenrechts. Tatsächlich steht auch unter dieser Bundesregierung keineswegs die große Schlacht um dieses Thema auf der Tagesordnung - obwohl doch die SPD in früheren Zeiten damit immer wieder geliebäugelt und die Grünen diese Reform früher heftig gefordert haben.

Der Frontbogen, an dem die Regierung mit den Beamten ringt - das ist die diesjährige Botschaft von Bad Kissingen -, ist sehr viel schmaler, die Zeichen, die sie setzen möchte, glanzloser. Es geht um ein paar Prozente, um die Absicht, die Bezüge der Beamten zur Abstützung ihrer Sparpolitik allein um die Preissteigerungsrate anzuheben; damit würde den Beamten zugemutet, was die Bundesregierung den Rentnern auferlegt hat. Innenminister Schily hat das gestern abermals bekräftigt, der Vorsitzende des Beamtenbundes, Erhard Geyer, es ebenso standfest wiederum abgelehnt und stattdessen die Forderung nach einer Erhöhung der Bezüge um vier Prozent wiederholt. Die Bundesregierung hatte sich mit diesem Vorhaben bereits im Dezember im Bundesrat eine blutige Nase geholt. Die Aussichten, sich mit ihrer Absicht durchzusetzen, scheinen mittlerweile nicht besser geworden zu sein.

Der Streit ist, gewiss doch, ein "normaler" Interessenkonflikt im Vorfeld der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Der wird demnächst in seine heiße Phase treten, es geht dabei um einen gewaltigen Batzen Geld, und üblicherweise folgen die Anhebungen der Beamten dem, was für Arbeiter und Angestellten ausgehandelt wird. Andererseits demonstriert der Konflikt, wie wenig Spielraum der Staat hat, aus dem Prozess des Aushandelns auszubrechen, der ein Verhaltensmuster unserer Gesellschaft ist. Natürlich ist die Frage der Beamten-Vertreter berechtigt, mit welchem Recht man denn die Beamtenbezüge mit der Rentenversorgung in einen Topf werfen dürfe. Aber man kann auch fragen, ob der Gedanke so abwegig ist, dass die Beamten, deren Dienstherr doch der Staat ist, einen besonderen Beitrag zur Politik der Haushaltskonsolidierung leisten.

Von dem Gedanken der großen, alles umstürzenden Reform des Beamtenrechts haben sich alle Parteien seit langem verabschiedet - nicht nur aus Resignation, sondern auch aus Einsicht. Ein so komplexes Rechts- und Verwaltungssystem wie das der Bundesrepublik verträgt keinen Umbau von Kopf bis Fuß. Aber es braucht viele kleine Reformen, die seine Leistungsfähigkeit steigern, es bedarf auch des Mutes und der Phantasie, das bisher nicht Gedachte zu denken - und es bedarf von beidem mehr als es hat. An der Bereitschaft dazu, nicht an jenem großen Wurf, der am Ende doch in der Ablage endet, müssen sich Koalition und Beamte messen lassen.

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