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Politik: Als wäre nichts gewesen

Die Königin hält ungerührt ihre Thronrede – aber die britische Monarchie ist in der schwersten Krise seit 1936

Königin Elizabeth II. hat am Mittwoch mit der traditionellen Thronrede die neue britische Parlamentsperiode eröffnet. Premierminister Tony Blair verfasste die Rede, in einwöchiger Arbeit wurde sie von Schönschreibern auf Pergament niedergeschrieben und dann von der Queen verlesen. Aber nie zuvor wird der Königin bei dieser Zeremonie die Krone so schwer aufs Haupt gedrückt haben. Die Enthüllungen von Dianas Butler Paul Burrell und das abrupte Ende des Butler-Prozesses haben sich zur schwersten Krise der britischen Monarchie seit der Abdankung von Edward VIII. 1936 ausgewachsen.

Äußerlich ungerührt verkündete die Queen das Gesetzgebungsprogramm für das kommende Jahr. Ein Gesetz zur Vorbereitung eines Euro-Referendums gehörte nicht dazu, aber dazu bleibt im Zweifel noch Luft. Denn mit 19 Gesetzen, vom Altlastengesetz für die Atomindustrie bis zur Erhöhung der Entwicklungshilfe, ist der legislative Ehrgeiz der Regierung Blair bisher eher mäßig. Kernpunkt ist eine Reihe neuer Strafgesetze, die unsoziales Verhalten bekämpfen und unter anderem Schmutzfinken mit Sofortstrafen belegen sollen. Das Verbot der Fuchsjagd soll unter Dach und Fach kommen, und die Schankzeiten der Pubs werden liberalisiert.

Doch es war die anachronistische Zeremonie der Thronrede selbst, die unter kritischer Beobachtung stand. Schlüpfrige Geschichten, der Vorwurf, Thronfolger Prinz Charles habe eine Straftat seines engsten Dieners – die Vergewaltigung eines männlichen Kollegen – vertuscht und vor allem das Eingreifen der Queen im Butler-Prozess haben der Würde der Monarchie zugesetzt. So machte einer der alten Bräuche am Mittwoch Sinn: Einen Parlamentarier als Geisel im Buckingham Palast festzuhalten, um die gesunde Rückkehr der Monarchin zu garantieren.

Ein weiterer Brauch ist das Verbot, im Parlament die Monarchie zu debattieren. Aber der Labour-Abgeordnete Tony Wright, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses im Unterhaus, forderte in der BBC eine gesellschaftliche Generaldebatte: „Königin und Premierminister müssen sich zusammensetzen und fragen, was für eine Art von Monarchie das Land eigentlich will.“ Diese Generaldebatte tobt bereits in den Zeitungen. Die Monarchie hat sie vorerst an den Palastmauern abgewehrt. Charles widersetzte sich der Forderung nach einer „unabhängigen Untersuchung“ der Rolle der Queen im Butler-Prozess, etwa durch einen der höchsten Richter. Stattdessen setzte er eine „interne Untersuchung“ an. Der Mann, der sie leiten soll, sein Privatsekretär Sir Michael Peat, wies im Fernsehen alle Vorwürfe zurück. Dann versicherte er gnadenlose Aufdeckung „ohne Furcht und Begünstigung“. Solch eine interne Untersuchung – deren Ergebnisse veröffentlicht werden sollen – hat es noch nie gegeben. Das zeigt den Ernst der Lage.

Charles wurde von Labour-Abgeordneten und der Presse mit Kritik überhäuft. „Ohne unabhängige Untersuchung werden die Gerüchte weitergehen“, sagte ein Labour-Abgeordneter. „Das wird der Königin kein bisschen helfen.“ Nun befinden sich große Teile der britischen Presse im offenen Kriegszustand mit den Palästen. Die Monarchie ist in der Defensive wie noch nie.

Matthias Thibaut

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