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Politik: Alte Fragen – neue Antworten?

Das frühere RAF-Mitglied Verena Becker will heute zum Fall Buback reden.

Berlin - Die Augen. Eigentlich leben nur die Augen in diesem verhärmten Gesicht. Zumindest wenn Verena Becker auf ihrem Platz als Angeklagte sitzt. Seit 86 Verhandlungstagen bereits verfolgt die 59-Jährige regungslos, wie das Oberlandesgericht Stuttgart versucht, aufzuklären, ob sie an der Ermordung des früheren Generalbundesanwalts Siegfried Buback beteiligt war. Ein Kommando der Roten Armee Fraktion (RAF) hatte Buback am 7. April 1977 erschossen, die tödlichen Schüsse fielen vom Rücksitz eines Motorrads. Wegen des Mordes wurden die RAF-Mitglieder Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt verurteilt. Aber war Verena Becker die Todesschützin? Das ist eine der zentralen Fragen des Prozesses.

Heute wird Verena Becker reden. „Sie wird sagen: ja oder nein“, kündigt Hans Wolfgang Euler an, einer ihrer beiden Anwälte. Verena Becker hat geschossen, definitiv, früher, als sie noch eines der fanatischsten Mitglieder der RAF war. Vier Wochen nach dem Buback-Attentat nahmen Polizisten Becker und das RAF-Mitglied Günter Sonnenberg nach einer wilden Schießerei im baden-württembergischen Singen fest. Zuvor hatten Becker und Sonnenberg allerdings noch auf wehrlos am Boden liegende Polizisten geschossen. Die Beamten überlebten wie durch ein Wunder. In einem Rucksack der RAF-Mitglieder steckte die Waffe, mit der Siegfried Buback erschossen worden war.

Singen war das Ende einer Entwicklung, die mit Blutspuren markiert ist. Verena Becker, 1952 in Berlin geboren, wuchs in Spandau auf, verließ die Schule nach der zehnten Klasse, arbeitete als Telefonistin und Gelegenheitsarbeiterin, zertrümmerte als junge Feministin die Scheiben von Sexläden und stieß zur terroristischen „Bewegung 2. Juni“. Die deponierte 1972 eine Bombe im britischen Yachtclub in West-Berlin, ein Bootsbauer kam ums Leben. Becker, zu einer sechsjährigen Jugendstrafe verurteilt, wurde 1975 von „2. Juni“-Mitgliedern freigepresst. Sie wechselte sofort zur RAF. Welche Rolle sie bei der Vorbereitung des Attentats auf Buback gespielt hat, ist bis jetzt nicht zweifelsfrei geklärt. Da sie aber wegen der Schüsse von Singen sowieso zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, wurden die Ermittlungen zu ihrer möglichen Beteiligung am Fall Buback eingestellt.

Zermürbt von der Haft packte sie Anfang der 1980er Jahre beim Verfassungsschutz aus, redete über Strukturen der RAF und wurde 1989 begnadigt. Jahrelang lebte sie als Frührentnerin unauffällig in Berlin. Bis neue DNA-Spuren sie wieder in Verbindung mit dem Tod Bubacks brachten. Aber ihr Fall ist auch verbunden mit Geheimniskrämerei. Warum sind Verfassungsschutzakten gesperrt? Hatte Becker schon vor dem Attentat für den Verfassungsschutz gearbeitet? Fragen ohne klare Antworten.

Welche Antworten Verena Becker heute gibt, das ist die spannende Frage.

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