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Politik: Alte Schule

Bildungsmisere, Reform des Schulsystems - spätestens seit der deutschen "Pisa-Pleite" wird hitzig darüber diskutiert, wie die Jugend am besten auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden kann. Da kann ein Blick über den Kanal nicht schaden: Was machen die Schulen in England anders?

Hans-Joachim Gras (34) ist Geschäftsführer einer Firma für Dokumentationssysteme in Kiel. Der Wirtschaftsinformatiker lebt zur Zeit mit seiner Frau in England, und sammelt dort täglich jede Menge neue kulturelle Eindrücke. Von seinen erschütternden, kuriosen und heiteren Einblicken in die britische Gesellschaft berichtet er alle 14 Tage bei Tagesspiegel Online.

Der tatsächlich ausschlaggebende Grund für die Einheitsmontur, so vertraute mir eine Kollegin an, sei jedoch ein anderer. Die Schulleitung befürchtet, dass die Mädchen andernfalls einfach zu sexy herumliefen. Schon jetzt würden Röcke durch Aufwickeln verkürzt und Blusen weit aufgeknöpft, aber bei freier Kleiderwahl würde angesichts zu reichlich entblößter Haut wohl die Konzentration der Jungen und zugegebenermaßen auch die der Lehrer massiv leiden. Ich habe mich ja schon mal erschüttert über Kälteempfinden und Stylingvorlieben der Engländerinnen geäußert, aber die Tatsache, dass auch jetzt bei Schnee und Eis nackte Beine und Bäuche immer noch der Standard sind, lässt diese Überlegung ganz plausibel erscheinen.

Doch zurück zum Thema: Es ist wie gesagt alles so super, dass die Schule so normal dann doch nicht sein kann. Es handelt sich um eine Privatschule. Diese sind in England deutlich verbreiteter als bei uns und heißen irritierenderweise "public schools". Sie ahnen schon, wo der Haken ist: Sein Kind hier unterrichten zu lassen kostet Geld. Und zwar nicht zu knapp. Pro Term sind ab der fünften Klasse z.B. 2.516 Pfund fällig. Da es drei Terms pro Jahr gibt, macht das beim derzeitigen Kurs umgerechnet fast 11.000 Euro pro Jahr - das können sich natürlich nur wenige leisten. Auf der anderen Seite gibt es von Staats-, Stiftungs- und Schulseite eine Fülle von Stipendien und Förderungsprogrammen, die besonders begabten Kindern den Schulbesuch ermöglichen, auch wenn die Eltern die erforderlichen Mittel nicht aufbringen können. Kurz: Es geht mehr nach Talent als nach Talern. Wem beides fehlt, stehen natürlich die kostenlosen state schools offen, die eher mit unseren vergleichbar sind.

Abschließend kann ich mir den Hinweis auf ein bei uns (aus welchen Gründen auch immer) weniger beachtetes Ergebnis der Pisa Studie von 2000 nicht verkneifen. Man fand heraus, dass das Leistungsniveau in weniger staatlich regulierten Schulsystemen generell höher ist. Nach allem was ich bisher gesehen habe, glaube ich das gern.

(Von Hans-Joachim Gras) ()

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