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Politik: Am Ende der Wende

Von Christoph von Marschall

George W. Bush ist am Ende. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn der Präsident seine Kongressmehrheit am Dienstag verteidigt. Stabil sagen die Umfragen voraus, dass die Demokraten nach zwölf Jahren das Abgeordnetenhaus zurückerobern. Im Senat, der zweiten Kammer, ist die Sache nicht so sicher. Doch selbst wenn das Wunder geschähe und die Republikaner sich knapp behaupteten, wird Bushs Politikstil zum Auslaufmodell. Seine Basis hat den Respekt verloren, sie folgt den Wünschen des Weißen Hauses nicht mehr. Die Reform der Social Security, des öffentlichen Rentensystems, ist gescheitert; von seinem ausgewogenen Konzept für ein modernisiertes Einwanderungsrecht blieb nur das Symbol der Abschottung übrig: die Aufrüstung der Grenze zu Mexiko. Wenn Bush seine Wünsche schon bei 15 Sitzen republikanischer Mehrheit nicht mehr durchs Haus bekam, was kann er noch bewegen, wenn der Vorsprung schrumpft?

So wird die Wahl zur Zäsur. Sechs Jahre lang hat Bush nach der Devise „Teile und herrsche“ die Szene dominiert, ohne viel Rücksicht auf Freund oder Feind zu nehmen: im Irak, beim fragwürdigen Umgang mit Terrorgefangenen, den Steuererleichterungen, der Nominierung Oberster Richter. Wenn die Unterstützung bröckelte, hat er selten Kompromisse gesucht, sondern den öffentlichen Druck erhöht, die Bedrohung durch äußere Feinde beschworen und Andersmeinende zu Feinden Amerikas erklärt. Genauso hat Bushs politisches Hirn, Karl Rove, Wahlkämpfe organisiert: die Gesellschaft spalten, die Konkurrenz dämonisieren – Hauptsache, am Ende stehen 50 Prozent plus x.

Lange hat dieser unbeirrte Wille zur Macht und zu ihrem Gebrauch eine Mehrheit der Bürger fasziniert, zumal unter dem Eindruck des Angriffs auf Amerika am 11. September 2001. Jetzt macht sich Ernüchterung breit. Nicht nur die Demokraten schimpfen über Bushs Bilanz. Auch seine Anhänger hat er enttäuscht. Zum Kern republikanischer Identität gehören eine starke Stellung der USA in der Welt, schlanker Staat, niedrige Steuern, ein ausgeglichener Haushalt und die höhere Moral. Nach sechs Jahren Bush sitzen die USA im Irak fest wie in einem Sumpf – das Todesurteil gegen Saddam ist da nur ein kurzer Trost: Vielleicht gab es neben vielen falschen einen guten Kriegsgrund. Aber das Gefühl des Scheiterns bleibt. Der Iran greift nach der Bombe, Nordkorea hat sie wohl. Bush hat eine Rekordverschuldung angehäuft, neue Mammutbehörden zum Katastrophenschutz als Antwort auf 9/11 geschaffen, die sich aber bei Hurrikans als unfähig erwiesen. Die religiöse Rechte ist wütend, wie wenig Bush für ihre Ziele getan hat. Angesichts von Sex-E-Mails und Korruption gilt die „Grand Old Party“ heute als die Skandalpartei, nicht die der Demokraten. In der Foley-Affäre wurde ihr Kürzel GOP als „Grand Old Pedophiles“ verhöhnt. Republikaner sein heißt heute: Masochist sein. Nur Wirtschaft und Arbeitsmarkt bieten Lichtblicke.

Am Dienstag wird Bush vollends zur „lame duck“, zur lahmen Ente. Er steht vor der Wahl, sich auf die Bereiche zu beschränken, in denen der Präsident per Dekret allein regieren darf, oder auf die Demokraten zuzugehen. Die Mehrheitspartei kontrolliert das Budgetrecht. Da sie auch alle Kongressausschüsse besetzt, könnte sie einem Präsidenten, der auf dem Kriegspfad bleibt, das Leben versauern und Untersuchungen einleiten. Von sich aus werden die Demokraten das Instrument vorsichtig einsetzen. Mit Blick auf die Präsidentenwahl 2008 wollen sie sich als konstruktive Kraft präsentieren, die Lösungen sucht, nicht Streit. Bush tut jedoch gut daran, sie nicht zur Konfrontation zu provozieren.

Viel bewegen wird sich in seinen letzten zwei Amtsjahren nicht. Leider. Amerika und die Welt bräuchten eine handlungsfähige, rationale US-Regierung: in der Bildungs-, Gesundheits- und Umweltpolitik; vom Nahen Osten über Iran und Afghanistan bis Korea. Aber die Moderaten werden nun wieder an Gewicht gewinnen und die Erkenntnis durchsetzen, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Es wäre nicht das schlechteste Ende der konservativen Wende. Amerika sucht die Versöhnung mit sich selbst.

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