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Am Hindukusch: Agenda Taliban

Die Lage am Hindukusch hat sich seit dem "Versöhnungsessen" 2006 mit George W. Bush dramatisch verschlechtert. Obama empfängt die Präsidenten Pakistans und Afghanistans – aber nicht gemeinsam.

An diesem Mittwoch empfängt der amerikanische Präsident Barack Obama die beiden Staatsoberhäupter Afghanistans und Pakistans. Sie statten dem neuen US-Präsidenten ihren Antrittsbesuch ab. Doch Barack Obama empfängt sie getrennt. Es ist eines von vielen Anzeichen, wie dramatisch sich die Lage am Hindukusch seit jenem „Versöhnungsessen“ 2006 verschlechtert hat. Damals hatte Obamas Vorgänger George W. Bush hatte die Präsidenten Afghanistans und Pakistans noch zum gemeinsamen Dinner ins Weiße Haus gebeten.

Der Krieg in Afghanistan droht sich zu einem schwer kontrollierbaren Konflikt auszuweiten, der die gesamte Außenpolitik Obamas überschatten könnte. Die Kämpfe gegen Al Qaida und Taliban verlagern sich immer häufiger von Afghanistan auf die pakistanische Seite des Grenzgebiets, wohin sich die Widerstandsgruppen zurückziehen. Parteifreunde Obamas fürchten, die USA könnten in einen Krieg innerhalb Pakistans hineingezogen werden. Der Demokrat David Obey, Vorsitzender des Budgetausschusses im Kongress, der in diesen Tagen über viele hundert Millionen Dollar Militär- und Wirtschaftshilfe für Pakistan berät, sagt, ihn erinnere die Entwicklung an Präsident Richard Nixons Pläne für Vietnam 1969.

Durch die Zuspitzung ist die Situation allerdings nicht klarer geworden. Afghanistans Präsident Hamid Karsai und sein pakistanischer Kollege Asif Ali Zardari sind beide keine Wunschpartner für die USA. In Washington wird heftig debattiert, ob sie Teil der Lösung oder Teil des Problems sind. Karsai hat sich aus Sicht amerikanischer Beobachter als wenig durchsetzungsfähig erwiesen; sein Spitzname „Bürgermeister von Kabul“ beschreibt seinen begrenzten Einfluss. Ihm scheine der Wille zu fehlen, politische Risiken einzugehen, um den Aufbau einer Zivilgesellschaft in Afghanistan zu fördern und den Drogenanbau zu bekämpfen. Amerikanische Außenpolitiker wären froh, wenn nach zwei Amtszeiten Karsais im Sommer ein neuer Präsident gewählt würde. Doch ein chancenreicher Rivale, Gul Agha Sherzai, hat gerade seine Kandidatur zurückgezogen.

Die Entwicklung in Pakistan ist aus US-Perspektive noch gefährlicher. Islamische Extremisten sind längst nicht mehr nur im bergigen Grenzgebiet zu Afghanistan aktiv. Sie stoßen weit ins Landesinnere und selbst in die Umgebung der Hauptstadt vor. Die 2008 gewählte zivile Regierung unter Zardari scheint noch weniger bereit, gegen sie vorzugehen, als General Musharraf in den Jahren zuvor. Zardari gilt auch in Europa als Enttäuschung. Er hat zwar viele Milliarden Euro und Dollar verlangt, um sein Land zu stabilisieren. Doch in den USA wächst die Kritik an ihm. Zudem steht er unter Korruptionsverdacht.

Unter Bush galt Musharrafs Pakistan als schwieriger Verbündeter, der den Einsatz der USA und der Nato in Afghanistan halbherzig unterstütze. Unter Obama wird offen diskutiert, ob Zardaris Pakistan im Ringen um Afghanistan als Freund oder Feind zu betrachten sei. Auch europäische Regierungen teilen die Bedenken. Das strategische Denken in Pakistan konzentriere sich auf Indien als Erzfeind. In dieser Konfrontation gelten die Islamisten als Verbündete. Irgendwann werden Nato- und US-Truppen aus Afghanistan abziehen. Dann sei für Pakistan ein von den Taliban kontrolliertes Afghanistan ein besserer Rückhalt gegen Indien.

Zu solchen Befürchtungen passt ein Bericht der „New York Times“ über die Ausbildung und Unterstützung von Talibankämpfern. Einige seien von der pakistanischen Regierung als Guerilla gegen Indien trainiert worden und wendeten ihre Kenntnisse nun in Afghanistan im Kampf gegen US- und Nato-Truppen an.

Obama macht die Hilfe für Pakistan von glaubwürdigen Zusagen Zardaris abhängig. Doch es ist unklar, ob der Kongress die Mittel dann auch freigibt. Und Obama schickt mehr Soldaten nach Afghanistan, um die Lage zu verbessern. Doch gibt es Befürchtungen, dass die Präsidenten beider Staaten die westliche Politik nicht unterstützen könnten.

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