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Politik: Am Rande der Beteiligung

DEUTSCHLAND UND IRAK

Von Christoph von Marschall

Nicht schon wieder! Nicht diese Frage: Wie teuer kommt Gerhard Schröder der ersehnte Handschlag mit George W. Bush in Prag? Fordert Amerika nun Truppen an für einen Krieg, den Schröder für falsch hält, und muss er sie schicken, weil die Amerikaner jetzt wieder gut mit uns sind – und damit sie es bleiben? So darf ein Kanzler nicht kalkulieren. Er muss Deutschlands Interessen vertreten und Schaden abwenden.

Ob ein Krieg gegen den Irak die Welt friedlicher macht oder, im Gegenteil, den Mittleren Osten erst richtig destabilisiert: Darüber kann man gegensätzlicher Meinung sein – mit jeweils guten Argumenten. Die Bundesregierung könnte sich fragen, warum sie mit ihrer Ablehnung so allein steht, warum Großbritannien und Frankreich bereit sind, mitzutun. Wenn sie aber überzeugt ist, dass dieser Krieg mehr Schaden als Nutzen stiftet, darf sie sich nicht beteiligen, auch nicht einem so wichtigen Freund wie den USA zuliebe. Das erwartet Amerika aber auch gar nicht: dass Deutsche mit nach Bagdad marschieren. Washington will Überflugrechte, GiftgasSpürpanzer, vielleicht auch Luftabwehrraketen, allerdings nicht für das direkte Kriegsgebiet am Golf, sondern zum Schutz Israels und des Nato-Verbündeten Türkei.

Die Frage ist also: Wo fängt die aktive Beteiligung an dem Krieg an, den Rot- Grün für einen Fehler hält? Fundamentale Kriegsgegner würden sagen, wir sind schon dabei, wenn Bomber von deutschen Flugplätzen starten, wenn wir Kriegskosten übernehmen wie im Golfkrieg oder die Alliierten im Kampf gegen Terror anderswo entlasten – in Afghanistan, vor Somalia –, so dass sie Kräfte frei haben für den Irak. Wer den kleinen Finger reiche, mache sich mitschuldig.

Mal abgesehen davon, dass Berlin Bündnispflichten und Verträge einzuhalten hat, darf und muss man auch umgekehrt fragen: Ist der Schaden für die deutschen Interessen etwa kleiner, wenn die Bundesregierung alle Hilfs- und Freundschaftsdienste verweigert? Zum Beispiel eine bessere Luftabwehr für Israel, falls Saddam erneut Raketen auf Tel Aviv schießt. Das wäre die Abkehr von der deutschen Haltung zum jüdischen Staat seit 1945. Im Golfkrieg 1991, als die Bundesregierung ihre Soldaten noch nicht außerhalb des Nato-Gebiets einsetzen durfte, hat sie Israel eine Patriot-Batterie zur Abwehr der irakischen Scud-Raketen finanziert. Und türkische Stützpunkte mit Bundeswehr geschützt.

Überhaupt: Wie soll sich ein guter Freund verhalten, wenn er den engen Partner nicht von Vorhaben abbringen kann, die er für falsch hält? Sollte er nicht wenigstens alles tun, um die schlimmen Folgen zu begrenzen? Schuldig wird auch, wer Menschenleben retten könnte, aber Hilfe verweigert. Was wäre das für eine verquere Logik, Beispiel Spürpanzer: Die Kuwaitis, mit denen uns Deutsche nicht ganz so viel verbindet, schützen wir, nicht aber unsere engsten Verbündeten. Wir verweigern die Füchse dann, wenn die Amerikaner sie überhaupt erst brauchen – soll Saddams Giftgas sie doch verseuchen, wenn sie gegen unseren Rat Bagdad angreifen; wir waschen unsere Hände in Unschuld.

Viele Grüne argumentieren mit dem Bundestagsmandat, das Spürpanzer in Kuwait erlaube, nicht aber die Verlegung in den Irak. Als ob das unabänderlich sei. Aus der Regierung ist schon jetzt zu hören, wenn Saddam die US-Truppen mit Giftgas angreife, kämen die Füchse nach dem Prinzip der Nothilfe auch im Irak zum Einsatz. Wer das für richtig hält, sollte ehrlicherweise gleich ein neues Mandat beschließen. Das wäre noch kein unauflösbarer Widerspruch zur Ablehnung des Irak-Kriegs. Der Fuchs ist kein offensiver Kampfpanzer Leopard.

Einen Angriff auf den Irak unterstützen muss Rot-Grün nicht. Die Koalition sollte aber zu allem bereit sein, was der Abwehr schlimmer Folgen dient: für die Verbündeten, für die Iraker – für Deutschlands Interessen. Im Einzelfall ist die Grenze schwer zu ziehen. Totalverweigerung ist keine realistische Option. Schon gar nicht moralischer. Es ist allemal besser, kleine Widersprüche auszuhalten, als eine Ablehnung aus Prinzip durchzuhalten, selbst wenn die Folgen gravierend sind. Man könnte das die Schröder-Maxime nennen. Dieser Kanzler hat ein Gespür, wann der Preis politischer Festlegungen zu hoch wird. Er ist kein Gesinnungsethiker, er ist Pragmatiker.

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