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Politik: Am Start

Die SPD hat ein Nachwuchsproblem. Andrea Nahles weiß das – und empfiehlt sich für den Neubeginn

Die Piste ist warm. Gute äußere Bedingungen, noch nicht viel Verkehr auf der Strecke. Nürburgring, Nordschleife: Ein weißer Porsche 969, 450 PS wartet auf Andrea Nahles. Ein Freund hat ihn mitgebracht. Als Mitfahrer dabei: Heiko Maas, SPD-Oppositionsführer im Saarland. Die beiden haben sich verabredet zum Wahlkampf, im Wahlkreis von Andrea Nahles. Björn Böhning, Juso-Chef, ist auch von der Partie. Ein Schaulaufen der Nachwuchshoffnungen, könnte man sagen.

Die neue Generation der SPD-Hoffnungsträger ist bisher klein, ihre Mitglieder entweder nicht genügend bekannt oder profiliert: Es sind Leute wie eben Heiko Maas, Ex-Jusochef Niels Annen, der Kurzzeit-Ministerpräsident aus Niedersachsen, Sigmar Gabriel, oder der glücklose ehemalige Generalsekretär Olaf Scholz. Doch eines ist allen klar in der Sozialdemokratie: Eine personelle Erneuerung der Partei ist überfällig – mit oder ohne Wahlsieg.

Keine weiß das besser als die 35-jährige Andrea Nahles. Ex-Parteichef Oskar Lafontaine nannte die Frau aus der Eifel einmal ein „Gottesgeschenk“. Sie hat sich hochgearbeitet in der Partei, war weit oben und ganz unten. In den Neunzigern Juso-Vorsitzende, 1998 bis 2002 im Bundestag, fehlten ihr bei den letzten Wahlen nur ein paar hundert Stimmen – der Listenplatz war nicht sicher genug. Die Sprecherin der Parteilinken ging zur Gewerkschaft. Bei der IG Metall musste sie ohne den Bundestagsapparat auskommen, hatte Mühe, wieder Anschluss zu finden. Dann die große Chance: Parteichef Müntefering holt sie ins SPD-Präsidium und beauftragt sie, die Bürgerversicherung zu erarbeiten, „die letzte Patrone im Lauf der SPD“, wie sie das selber nennt.

Jetzt ist das Konzept fertig, und als in der vergangenen Woche 72 von den Sozialdemokraten handverlesene Experten und Professoren das Gesundheitskonzept gegenüber dem CDU-Modell einer einheitlichen Gesundheitsprämie als „überlegen“ bezeichnen, strahlt die immer etwas laute Politikerin ganz besonders. Hat es die Germanistin doch geschafft, sich in die schwierige Materie der Gesundheitspolitik einzuarbeiten, „ohne durch allzu große Inkompetenz aufzufallen“. Die Unterstützer rügen denn auch verabredungsgemäß die „Kopfpauschale“ der Union als „Sprengsatz am sozialen Gefüge“, obwohl auch Nahles weiß, dass eine „Michform“, wie das „sch“ im Eifeldeutsch klingt, durchaus denkbar ist. Unzufrieden ist sie nur mit dem Ort, an dem die Professoren mit ihr tagen: Die kleine Wahlkampfkantine im Willy-Brandt- Haus war „nicht optimal“, sagt sie.

Ihre eigentliche Bühne kommt im Herbst, wenn der „New deal“ ansteht, wie sie sagt, die personelle Erneuerung der SPD auf dem Parteitag im November. „Ich werde meinen Platz finden und auch suchen“ sagt sie – und hält eine Verjüngung für „überfällig“. „Ich möchte definieren, was die Mitte der Sozialdemokratie ist.“ Ungewohnte Töne für die früher oft rebellische Parteilinke.

Die SPD im Herbst: Von so ziemlich allen Konstellationen dürfte Nahles profitieren. Schafft es die Partei, sich von den 28 Prozent hochzuhieven, auf 31, 32 Prozent vielleicht, kann Müntefering Parteichef bleiben und eine Nachwuchshoffnung als Vize brauchen. Kommt das Desaster, ist auf einem Chaos-Parteitag eventuell sogar mehr für sie drin. Nur Kurt Beck muss sie fürchten. Sollte der Pfälzer als Interims-Parteichef á la Johannes Rau antreten, um die Partei zu beruhigen, wird der Platz für sie eng. Zwei Rheinland-Pfälzer an der Spitze der Sozialdemokraten: Das dürfte so gut wie ausgeschlossen sein. Doch zuerst muss sie durch den Wahlkampf – auch wenn sie Schröders Neuwahlentscheidung nach wie vor für falsch hält, genauso wie Koalitions-Planspiele einiger Minister. „Kontraproduktiv, mitten in der Mobilisierungsphase“, sagt sie und spricht lieber von „mehr oder weniger schlechten Lösungen“ – die große Koalition oder die Ampelkoalition, die neue Überlebenshoffnung im Kanzleramt.

Heute trifft sie sich in Hamburg mit Olaf Scholz und Sigmar Gabriel, ein „Nachwuchs-Trio“, wie sie das nennt. Rennen fahren werden sie nicht. Doch die Zeit des Trainings ist vorbei.

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