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Erschöpftes Winken: Barack Obamas Charisma ist verflogen.

© dpa

Amerika nach der Wahl: Barack Obamas persönliches Debakel

Alles sprach für ihn - von der Wirtschaftslage bis zur kulturellen Linksverschiebung Amerikas. Trotzdem hat Barack Obama die "Midterms" krachend verloren. Rückt das Land nun wieder nach rechts? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Amerika hat gewählt, und die Auguren rätseln: Ist die lahme Ente schon eine tote Ente? Oder gilt die alte China-Restaurant-Weisheit „Ente gut, alles gut“? Schließlich verliert die Partei des Präsidenten bei den „Midterms“ ja traditionell an Stimmen. Die Wahrheit liegt in diesem Fall irgendwo zwischen lahm und tot. Barack Obama war gemeint bei der Wahl – und er hat sie krachend verloren. Beide Kammern des Kongresses sind nun fest in der Hand der Republikaner. Beschönigen lässt sich die Niederlage nicht. Man muss sie erklären.
Das persönliche Debakel Obamas wiegt auch deshalb schwer, weil sämtliche Rahmenbedingungen für ihn sprachen. Die Wirtschaftslage ist gut, das Wachstum kräftig, die Arbeitslosigkeit niedrig, dank Fracking hat sich die Abhängigkeit von Energieimporten drastisch verringert. Hinzu kommt, dass sich die kulturelle Linksverschiebung des Landes aufgrund der demographischen Entwicklung fortsetzt. Haschisch-Konsum und Homo-Ehe werden sukzessive legalisiert, es gibt Mehrheiten für eine Erhöhung des Mindestlohnes und eine stärkere Besteuerung von Millionären.

Vor zwei Jahren hieß es, die Werte und Weltsichten der „alten, weißen Männer“ würden versinken, der Einfluss der Religion gehe zurück, Latinos, Schwarze, Frauen und jüngere Menschen entschieden über die politische Zukunft Amerikas. Das alles soll plötzlich falsch sein?

Nach sechs Jahren haben sich Charisma, Aura und Eloquenz Obamas verbraucht

Nein, es stimmt nach wie vor. Das Land hat zwar rechts gewählt, ist aber nicht nach rechts gerückt. Es war keine ideologische, sondern eine persönliche Wahl. Nach sechs Jahren haben sich Charisma, Aura und Eloquenz Obamas verbraucht. Der Präsident wirkt müde, lust- und ziellos. Eine Mehrheit der Amerikaner verzeiht es ihm nicht, während seiner gesamten Amtszeit lediglich keine gravierenden Fehler gemacht zu haben. Der demonstrative Verzicht auf alles Missionarische, auf globale Führung und gesellschaftlichen Gestaltungswillen rächt sich jetzt.

Die Nation verlangt mehr von ihrem Präsidenten, als der ideenarme Sachwalter diverser Krisen zu sein.

Müde, rat- und ziellos - und vom Amt gezeichnet: Barack Obama.
Müde, rat- und ziellos - und vom Amt gezeichnet: Barack Obama.

© Reuters

Augenfällig wurde das in der Außenpolitik – einem Bereich, in dem Obama bei seiner Wiederwahl klar vor Herausforderer Mitt Romney lag. Wer rote Linien zieht, wie bei Baschar al-Assad, falls dieser Giftgas einsetzen sollte, aber untätig bleibt, wenn sie überschritten werden, wer die durch Edward Snowden verursachte Nacktheit des Geheimdienstapparates verschämt beschweigt, wer Wladimir Putin sich die Krim einverleiben lässt, wer lieber „von hinten“ führt, vom Vormarsch der Dschihadisten des „Islamischen Staates“ komplett überrascht wird und ratlos vor der Frage steht, was gegen die Ausbreitung von Ebola getan werden kann, der wirkt nicht nur zögerlich, sondern ist es auch.

Die Kritik daran wird weniger vom Wunsch nach mehr Interventionen getragen als von der Sehnsucht nach Klarheit, Kompetenz und Standfestigkeit. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist der mächtigste Mensch der Welt. Das verpflichtet.

Obama ist ab jetzt ein Präsident mit schwachem Mandat

Die nun triumphierende Opposition sei indes trotz ihres Erfolges gewarnt: Weil dies eine Anti-Obama-Wahl war, war es eben kein Pro-Republikaner-Votum. Aus dem Sieg eine neu erwachte Vorliebe für konservative Positionen abzuleiten, wäre töricht. Vielmehr darf die GOP (Grand Old Party), wenn sie in zwei Jahren gegen Hillary Clinton bestehen will, den allgemeinen Linkstrend nicht negieren. Sie muss den Einfluss der Tea Party weiter zurückdrängen und vor allem für Latinos attraktiver werden.

Prüfstein dafür wird ihre Haltung zur Reform des Einwanderungsrechtes sein. Pragmatismus statt Purismus sollte die Devise heißen.

Obama ist ab jetzt ein Präsident mit schwachem Mandat. Die Demokraten mögen das verschmerzen, weil sie in Hillary Clinton bereits eine markante potenzielle Nachfolgerin gefunden haben, während den Republikanern der womöglich heftige Streit über ihren künftigen Kurs noch bevorsteht. Doch Europa und der Rest des Westens müssen erst lernen, das Vakuum, das Obamas Schwäche erzeugt, ihrerseits zu füllen. Ganz gelingen wird ihnen das ohnehin nicht. Höchste Zeit also, dass wieder ein US-Präsident mit Gestaltungskraft auf die Bühne tritt.

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