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Politik: Amerikanische Freihandelszone: Strategische Freunde

Zuerst zum Nachbarn, zuerst nach Mexiko. Das war die Devise von George W.

Zuerst zum Nachbarn, zuerst nach Mexiko. Das war die Devise von George W. Bush, nachdem er offiziell in sein Amt als US-Präsident eingeführt worden war. Einige schüttelten die Köpfe, auch die Europäer. Was soll das? Das mächtigste Land der Welt, und dann führt den Präsidenten die erste Auslandsreise nur ein paar hundert Kilometer weiter südlich seiner eigenen texanischen Ranch. Ein bisschen nachdenken tun die Amerikaner aber schon. Auch Bush. Zwei Gründe gab es für die Visite in Mexiko: Zunächst ist das mittelamerikanische Land nach Kanada der größte Handelspartner der USA. Darüber hinaus ist der neue mexikanische Präsident Vicente Fox Bushs Schlüssel für die Tür nach Lateinamerika.

Mit dem hemdsärmligen Fox versteht sich der Texaner gut. Mexiko als Land ist nicht nur Mitglied der Nafta, sondern neben Brasilien wirtschaftlich der stärkste Partner des Kontinents. Und Bush will sich den Markt des ganzen Kontinents erschließen. Er will das vollenden, was sein Vater einst angedacht hat: eine Freihandelszone von Alaska bis Feuerland. Das ist ein Wirtschaftsraum mit 800 Millionen Menschen, es wäre die größte Wirtschaftsmacht der Welt. Auch das hatte Bush im Kopf, als er in Mexiko von "Freunden" sprach.

Ohnehin ist die neue Sprachregelung der US-Amerikaner interessant: Erst jüngst hat Außenminister Colin Powell in der "New York Times" über die Aufgabe des amerikanischen Erdteils geschrieben. Und er hat das Wort "Amerikaner" auf alle Menschen auf dem Kontinent angewandt. Das ist ungewöhnlich. "Wir können das Leben eines jeden Amerikaners entscheidend verändern", sagt Powell. Grafik: Handelszonen auf dem amerikanischen Kontinent Was schon unter der Clinton-Administration politisch begann, wird nun konsequent unter handelspolitischen Interessen fortgesetzt: Die Annäherung der USA an seine Nachbarn. Denn in seiner bisher kurzen Amtszeit hat Bush nicht nur hochkarätige Landesführer wie den Briten Toni Blair, den deutschen Kanzler Gerhard Schröder oder Ägyptens Präsident Hosni Mubarak empfangen. Er hat auch andere getroffen: Neben dem Präsidenten Mexikos auch die Staatschefs von Kolumbien, El Salvador, Brasilien, Chile und Argentinien. Er hat seine Reise zum Gipfel der amerikanischen Staaten also bestens vorbereitet. "Wir wollen", sagt Bush mittlerweile auffallend zahm und auffällig häufig, "mit unseren guten Nachbarn zusammenarbeiten, um einen westlichen Erdteil von Frieden und Wohlstand zu schaffen." Europa ist nicht gemeint.

Die Europäer sind Konkurrenten in Südamerika. Und es gibt einige Indizien dafür, dass es gefährlich werden kann für Europa. Ein Beispiel ist die Nafta, zu der die USA, Kanada und Mexiko gehören. Nachdem die Nafta 1994 gegründet worden war, verloren die Europäer in den folgenden Jahren bis 1998 die Hälfte ihres Marktanteils. Das könnte den Europäern nun auch in Südamerika drohen. So sieht es beispielsweise der Experte für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur, Wolf Grabendorff. "Es geht hier um ein zeitliches Wettrennen. Fällt eine Entscheidung, sind die Märkte für denjenigen, der das Rennen verliert, erst einmal dicht." Lateinamerika ist interessant für die Wirtschaft. Keine andere Region der Welt, sagt Grabendorff, verzeichnete in den 90er Jahren so viel Wachstum wie hier. Das haben auch die Europäer erkannt, ihre Exporte nach Lateinamerika sind in den letzten zehn Jahren um 300 Prozent gestiegen, hauptsächlich bei den Investitionsgütern wie Maschinen und Ausrüstung. Gerade Deutschland ist auf diesem Sektor führend. Die Automobilindustrie, Pharma- und Chemiekonzerne aus Deutschland haben sich vor allen in Brasilien und Argentinien angesiedelt.

15 Prozent der brasilianischen Industrieproduktion wird von den Deutschen gefertigt. "Wenn man dort rausgedrängt wird, ist das schon mit erheblichen Verlusten verbunden", sagt Grabendorff. Denn wenn es tatsächlich zu einer Amerikanischen Freihandelszone kommt, müssten Länder wie Brasilien ihre Märkte auch für Telekommunikation oder Energie öffnen. Die US-Pharmakonzerne könnte ihre Patente für Medikamente besser schützen, Agrarprodukte, Stahl oder Textilien würden dagegen in den USA noch billiger.

Die Europäer könnten schneller sein. Seit 1999 wird intensiv über die Freihandelszone zwischen den Mercosur-Ländern und der EU verhandelt. Fortschritte aber gibt es kaum. Vier Mal haben sich die Experten bereits in langen, zähen Runden getroffen. Herausgekommen ist wenig: Die Europäer wollen ihre Märkte vor allem für Agrarprodukte nicht öffnen.

Die Lateinamerikaner sind darüber sauer. Denn während die Exportzahlen der Europäer steigen und steigen, sieht es umgekehrt eher düster aus. Die Exporte aus Lateinamerika sind in den 90er Jahren von 25 Prozent auf 14 Prozent gesunken. Exporte in die USA aus Lateinamerika haben dagegen stark zugenommen.

Die Europäer verweisen gerne darauf, dass sie "eine strategische Partnerschaft" mit den Lateinamerikanern wollen. Es geht, soll das heißen, nicht nur um Handel, sondern auch um gemeinsame Werte. Diese Werte sollen sich niederschlagen in Standards für Umweltschutz, Menschenrechte, Demokratie. Die USA dagegen, sagen die Europäer, "wollen nur euren Markt".

Diese Einschätzung aber stimmt längst nicht mehr. Und niemand anderes als George W. Bush hat dies betont. Das amerikanische Kosovo, hat er einmal klug gesagt, sei Kolumbien. Die USA spielen längst auch in der Innenpolitik der Region mit. Kolumbien braucht dringend die zugesagte US-Milliardenhilfe, damit der Plan Colombia zur Guerillabekämpfung in Gang kommt. In Peru stecken die USA sowohl hinter dem Rücktritt des Präsidenten Alberto Fujimori, den ausgeschriebenen Neuwahlen und dem flüchtigen Geheimdienstmann Montesinos, der mit dem Ex-Präsidenten das Andenland regierte. In Ecuador setzt die Regierung, um sich vor der billigen Katastrophe zu retten, auf die Dollarisierung des Landes, die jedoch nur mit der Unterstützung der USA funktionieren kann. Auch der politische Einfluss der Europäer sinkt.

Der Besuch in Mexiko war für George W. Bush also ein durchaus sinnvoller Start in seine Amtszeit.

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