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Bundesfinanzminister Lindner am Freitag bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs 2023 - mit Schuldenbremse.

© Michele Tantussi/REUTERS

Christian Lindner und die Schuldenbremse: Ein Held für einen Tag

Der Finanzminister hat sein Versprechen zunächst eingelöst, ab 2023 die Schuldenbremse einzuhalten. Aber kann er das im Herbst noch halten? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Christian Lindner hat am Freitag einen glücklichen Tag gehabt. Der Bundesfinanzminister hat den Haushalt für 2023 vorgelegt. Jenen Haushalt also, mit dem er die Rückkehr zur Schuldenbremse erreichen wollte. Es ist ihm gelungen.

Aber Obacht: Es hat erstens nur mit Ach und Krach geklappt. Zweitens hat es Lindner genutzt, dass dieses wichtige FDP-Anliegen im Koalitionsvertrag verankert worden war. Das hat es SPD und Grünen schwer gemacht hat, es schon jetzt zu kippen. Und drittens gilt: Der Regierungsentwurf ist noch nicht das Gesetz, das beschließt der Bundestag erst Ende November. Was bis dahin passiert, bleibt abzuwarten.

Doch weitere Folgen von Putins Krieg, die Gaskrise, die massive Teuerung, der drohende Abschwung bei gleichzeitiger Zinswende, eine wieder aufflammende Pandemie – all das droht. Oder wie es der SPD-Haushälter Dennis Rohde formuliert: Bis zum Herbst warten „noch viele unbekannte Variablen“ auf die Ampel-Koalition. Vorerst ist Lindner also der Held für einen Tag.

Sein Etatentwurf, dem die Kabinettskollegen nun zugestimmt haben, ist eine Wette auf die Zukunft. Genauer gesagt: Eine Wette auf eine Zukunft, die nicht ganz so düster sein wird wie sie die Regierenden selbst im Moment zeichnen.

Ohne Rückendeckung von Scholz hätte der FDP-Minister dies kaum geschafft

Lindner wollte unbedingt das Finanzministerium. Aber es soll nicht verlängerter Arm des Kanzleramtes sein (so lautete sein Vorwurf an die Adresse der Union im Wahlkampf 2017, mit Wolfgang Schäuble als nachgeordnetem Minister von Angela Merkel). In den vergangenen Wochen hat Lindner munter den Eindruck erweckt, er sei der Herr des Etats. Doch ohne die Rückendeckung von Olaf Scholz hätte es diesen Entwurf so wohl nicht gegeben. SPD und Grüne haben Lindner jetzt seinen kleinen Triumph gelassen. Wissend, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

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Möglicherweise gönnen sie sich nun eine Sommerpause ohne Dauerdebatte über Haushaltspolitik. Aber spätestens im Oktober wird der Koalitionsfrieden wieder dem Streit um Änderungen weichen. Kommt es dicke, muss die Wachstumsprognose für dieses und kommendes Jahr deutlich gesenkt werden. Dann kommt die Ampel wohl nicht ohne Ergänzungsetat aus, also einer deutlichen Korrektur des Regierungsentwurfs im November.

Dann wird erst recht gelten, was wir zuletzt im vielstimmigen Streit um den Entwurf schon erlebt haben: Haushaltspolitik im zweifachen Krisenmodus. Zum einen muss die Ampel ihre Etatpolitik laufend an die sich fortentwickelnde Wirtschaftskrise anpassen.

Zum anderen befinden sich SPD, Grüne und FDP genau deswegen in einer latenten Koalitionskrise. Die Reibereien können schnell auch zu einem harten Koalitionskonflikt führen. Von daher ist nach der Sommerpause vor allem eines nötig, was Lindner – da hat er recht – immer wieder fordert: Priorisierung. Also eine Debatte darüber, was wirklich wichtig ist in dieser Lage und was nicht.

Alle drei Parteien müssten Abstriche machen. Nicht nur mit Blick auf das kommende Jahr, sondern auch darüber hinaus. Im Grunde wäre dann eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags nötig. Nicht in den Grundlinien, aber in einigen nicht unwesentlichen Punkten. Hinter Kindergrundsicherung, Bürgergeld, Aktienrente zum Beispiel stünden dann Fragezeichen. Und die FDP muss unter Umständen schlucken, dass die Schuldenbremse 2023 doch nicht voll wirken kann.

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