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Es ist nicht mehr so übersichtlich wie früher - aber Markus Söder bleibt wohl Ministerpräsident.

© Peter Kneffel/dpa

Analyse zur Landtagswahl in Bayern: Das Land bleibt konservativ

Trotz aller Dramatik zeigt sich in Bayern auch: Zwischen den politischen Lagern hat sich wenig bewegt. Nur hat die CSU jetzt mehr Konkurrenz.

War da was? Ist da am Ende in Bayern bei der Landtagswahl am Sonntag vielleicht doch nicht so viel passiert, wie es auf den ersten Blick scheint? Es kommt darauf an. Natürlich ist der Einbruch der CSU ein ebenso historisches Ereignis wie die Verdopplung des Stimmenanteils der Grünen bei deutlich gewachsener Wahlbeteiligung. In Bayern werden die Uhren künftig tatsächlich anders ticken. Wer aber nun eine revolutionäre Situation im Ergebnis vom Sonntag sieht, sollte einen zweiten Blick auf die Resultate werfen. Denn bei aller Dramatik – die CSU hat mit Neumarkt in der Oberpfalz nur noch einen einzigen Wahlkreis, in dem das alte Normziel „50 plus x“ erreicht wurde, die Grünen erreichen in München-Mitte 44 Prozent – ist eines doch auch zu erkennen: Zwischen den beiden Lagern, Mitte-Rechts und Mitte Links, hat sich so schrecklich viel nicht bewegt. Und auch wenn das Lagerdenken abgenommen hat in den vergangenen Jahren und die politische Kultur konsensualer geworden ist im Vielparteiensystem – völlig verschwunden ist das Links-Rechts-Schema damit nicht.

Und so gibt der abziehende Rauch am Tag nach der Wahl den Blick darauf frei, dass Mitte-Rechts in Bayern nach wie vor dominiert. CSU, Freie Wähler, AfD und FDP – das mehr oder weniger konservativ-liberale bürgerliche Milieu also – kommen zusammen auf 64 Prozent der Stimmen. Was die CSU einst schon mal fast allein schaffte, nahezu zwei Drittel der Bevölkerung hinter sich zu versammeln, verteilt sich nun eben auf vier Parteien. Von denen zwei, die Freien Wähler und die AfD, schon Fleisch vom Fleisch der Christsozialen sind – die einen seit Jahren, die anderen nun ganz frisch. Es gelingt der CSU nicht mehr, Modernes und Traditionales in der Weise zu vereinen, wie es zu seligen Landesväter-Zeiten mit Alfons Goppel gelang, annähernd auch mit dem Polterer Franz Josef Strauß und zuletzt mit Edmund Stoiber, dem freilich eine kollektive Trotzreaktion nach dem Scheitern seiner Kanzlerkandidat half. Damals aber, im Jahr 2003, schnitt die CSU tatsächlich schon über ihren Verhältnissen ab.

Der Spagat funktioniert nicht mehr

Den Riesenspagat zwischen technokratischem Regieren und Populismus-Rhetorik bringt sie nun jedoch noch weniger fertig. Das geht jetzt rechts der Mitte nur noch in Arbeitsteilung. Und hier ist die CSU jetzt in der Rolle des Hasen im Rennen mit den Igeln. Blinkt sie nach rechts, verliert sie an Freie Wähler und FDP – und, wie am Sonntag zu erleben war, auch an die stärker zur Mitte hin orientierten Grünen. Tendiert sie stärker zur Mitte, profitiert die AfD. Wenn das rechte Lager so bleibt, wie es sich am Sonntag formiert hat, dann muss die CSU in dieser Konstellation ihre Rolle finden. Das wird kein ganz einfacher Prozess, aber Spagatpartei kann sie wohl nicht mehr sein.

Im Lager links der Mitte hat sich alles verändert und doch nichts. Grüne und SPD haben die Plätze getauscht, was nicht zuletzt mit veränderten Präferenzen vor allem bei Akademikern, bei jüngeren Wählern und wohl auch bei den Frauen zu tun hat. In diesen Wählergruppen vor allem können die Grünen mit ihrer Themensetzung punkten. Die SPD wirkte, auch im Personellen, im Vergleich einfach weniger frisch. Und wenn dann noch der Bundestrend den einen hilft, den anderen nicht, ist der Purzelbaum geschlagen. Zusammen aber haben erstarkte Grüne und geschwächte Sozialdemokraten mit gut 27 Prozent eben nicht mehr Stimmenanteile als 2013, sondern sogar weniger. Damals waren es gut 29 Prozent. Nimmt man die Linke hinzu, waren es in beiden Wahlen jeweils etwas über 30 Prozent.

Wähler bewegen sich

Natürlich ist die Wählerwanderung etwas komplexer, einen einfachen Austausch hat es in beiden Lagern so nicht gegeben. Es gibt auch Bewegung von rechts nach links und umgekehrt. Einstige SPD-Wähler, aber wohl nicht sehr viele, gingen zur AfD. Schon deutlicher wahrnehmbarer ist die Wanderung von CSU-Anhängern zu den Grünen. Aber wenn die Zahl von 170.000, die Infratest dimap ermittelt hat, einigermaßen belastbar ist (Wählerwanderungsmessung ist eine stark umstrittene Teildisziplin der Demoskopie), dann ist das bei knapp sieben Millionen Wählern nicht unbedingt eine entscheidende Größe. Zwischen SPD und Grünen war der Austausch, glaubt man den Zahlen, noch etwas höher.

Die Grünen haben sich als ökologisch-linksliberale Partei hin zur Mitte bewegt und damit ihre Anhängerschaft verbreitern können. Ihre Stimmkreiserfolge in München und Würzburg machen deutlich, dass eine urbane, meist bessergestellte Schicht von beruflich mehr oder minder erfolgreichen Menschen hinter ihnen steht – und Studenten, die das anstreben. Daher die sehr guten Ergebnisse in den Uni-Städten und auch in den Wohlstandsregionen rund um die bayerische Hauptstadt. Und wer in Starnberg fast so gut abschneidet wie die CSU, ist auch dort angekommen, wo das Geld sitzt. Im städtischen Bayern sind Schwarze und Grüne nun fast auf Augenhöhe. In diesen Stimmkreisen wird sich in den kommenden Jahren nicht zuletzt entscheiden, ob die Grünen ihre Position festigen können oder nicht. Und wie stark sich die CSU erholen kann. Hier ist jene Zuwanderung (junge Akademiker) am stärksten, von der die Grünen am ehesten profitieren können – und von der die CSU eine gehörige Scheibe abbekommen will und muss, wenn sie weiterhin als moderne Partei gelten soll, die Bayern den Fortschritt bringt.

CSU-Probleme im Süden

Der Blick auf die Ergebniskarte zeigt auch, dass die CSU dort, wo sie einst am stärksten war – im Süden des Landes, vor allem in Oberbayern – nun am heftigsten zu kämpfen hat, und zwar in beide Richtungen. Oberbayern, vor allem das Münchner Umland, ist die Dynamikregion des Landes, in der es um die Stimmen der Erfolgreichen geht. Hier reiben sich CSU und Grüne. Die Randregionen dieser Dynamikregion finden sich in Schwaben, Niederbayern und der Oberpfalz. Hier, wo die Dynamik, das Bunte und der Reichtum der Zentrale sich stärker einzumischen beginnen, gibt es eine andere Form der Reibung: Neben den Erfolgreichen finden sich hier noch deutlich mehr traditionell orientierte Wähler, die sich nicht überrumpeln lassen wollen. Einige drängt es daher mehr zu den Freien Wählern, die stets als Partei des Landes und der ländlichen Werte (gegen das Urbane) aufgetreten sind. Andere haben nun in der AfD eine Anlaufstelle gefunden, die den rechtskonservativen Volkston, den man sich wünscht, so zu treffen scheint wie einst die Rauhbauz-CSU. In Franken dagegen, wo sich die wirtschaftlich-sozialen Gegensätze des neuen dynamischen Erfolgslandes Bayern weniger schroff zeigen, hat die CSU sich besser halten können. Dazu mag kommen, dass Ministerpräsident Markus Söder Franke ist.

Als "Kümmerer-Partei" unter die Räder gekommen

Und die SPD? Kam eigentlich überall unter die Räder. In den Erfolgsregionen wird sie von den Grünen lässig überholt, auch in den Reibungszonen machen andere das Geschäft. Allenfalls in alten Traditions-Stimmkreisen in Oberfranken und natürlich der alten Arbeiterhochburg Nürnberg kann sie überdurchschnittlich abschneiden, was in dieser Wahl aber nur heißt: Sie verliert dort weniger deutlich. Die Sozialdemokraten, die sich nun vor allem über die Rolle als Sozialstaats-Partei wiederfinden wollen, müssen eines erkennen: In Wohlstands- und Erfolgsregionen kommt man als moderate und freundliche „Kümmerer-Partei“ allein nicht weit. Das mag in Rheinland-Pfalz mit Malu Dreyer klappen, in Bayern hat es mit Natascha Kohnen nicht geklappt. Schon in Baden-Württemberg ist die SPD deswegen nach unten gepurzelt und wurde von den Grünen als dominierende Partei der linken Mitte verdrängt. Für die beiden Süd-Länder muss die SPD sich etwas anderes einfallen lassen – oder halt abwarten, bis die Dinge wieder weniger erfolgreich laufen. Aber ohne einen stärkeren Aufritt dort wird es bundesweit schwer, wieder auf die Beine zu kommen.

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