zum Hauptinhalt
Jacob Zuma.

© AFP

Politik: ANC sperrt die Öffentlichkeit aus

Pressegesetz in Südafrika macht Recherchen zu Korruption nahezu unmöglich Journalisten drohen Gefängnisstrafen bis zu 25 Jahren.

Während Hunderte Journalisten von Montag an zum Auftakt des 17. Weltklimagipfels in der südafrikanischen Küstenmetropole Durban erwartet werden, schleift die Regierung des Gastgebers gerade die Grundfesten der Pressefreiheit im Land. 17 Jahre nach seiner Machtübernahme ist der Afrikanische Nationalkongress (ANC) die harsche Kritik an seinem Regierungsstil leid – und reaktiviert ausgerechnet die Pressegesetze des einstigen Apartheidregimes. Obwohl einige Passagen am Ende leicht abgemildert wurden, verabschiedete der ANC im Parlament eine Gesetzesvorlage, deren entscheidende Passagen dem repressiven Pressegesetz aus der Apartheidära zum Verwechseln ähneln. Im ganzen Land hüllten sich viele Südafrikaner am Tag der Annahme des Gesetzes durch das Parlament am Dienstag in schwarze Kleidung – in Anlehnung an den „schwarzen Mittwoch“ des Jahres 1977, als das Apartheidregime eine große Zeitung im Land verbot und ihre leitenden Redakteure verhaftete.

Mit dem Gesetz zum „Schutz der Staatsinformation“ will der ANC Informationen und Daten nach eigenem Gutdünken als geheim einstufen. Die Klassifizierung liegt dabei im Ermessen von Behördenleitern, die damit auch leicht eigene korrupte Praktiken kaschieren könnten. Wer als „streng geheim“ eingestufte Staatsdokumente publik macht, selbst wenn dabei eine Straftat aufgedeckt wird, muss mit Gefängnisstrafen bis zu 25 Jahren rechnen. Für die unerlaubte Verbreitung „vertraulicher“ Informationen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die absurd hohen Strafen gelten auch für Journalisten, die solche Dokumente zugespielt bekommen – und dies nicht sofort den Behörden melden. Eine von südafrikanischen Medienhäusern vorgeschlagene Klausel, eine Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen zuzulassen, wenn diese dem öffentlichen Interesse dienen, wurde vom ANC ausdrücklich abgelehnt. „Die endgültige Annahme des Gesetzes, wie sie nun droht, wäre ohne Zweifel das Ende des Enthüllungsjournalismus“, konstatiert die linksliberale „Mail & Guardian“.

Südafrika wird seit langem fast im Wochentakt von Korruptionsfällen geschüttelt, die anderswo zum Sturz von Regierungen führen würden, aber am Kap oft straffrei bleiben. Erst am vergangenen Wochenende wurde Mac Maharaj, der Sprecher von Präsident Jacob Zuma, der Annahme von Schmiergeldern in Millionenhöhe bezichtigt, doch verweigerte der Regierungssprecher trotz der erdrückenden Beweislast jede Aussage – mit der Begründung, die Informationen seien Journalisten „illegal“ zugespielt wurden. Diese Form der Verteidigung dürfte in Südafrika nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes im Nationalen Rat der Provinzen zur Regel werden.

Gerade wegen der enormen Machtfülle des ANC haben die Medien in Südafrika eine wichtige Kontrollfunktion inne. So hat der ANC im nationalen Parlament 264 der 400 Sitze und damit eine machtvolle Zweidrittelmehrheit. Daneben regiert die frühere Widerstandsbewegung in acht der neun Provinzen des Landes und in praktisch allen größeren Metropolen mit Ausnahme von Kapstadt.

Weder Präsident Jacob Zuma noch sein Kabinett scheinen zu verstehen, welchen Imageschaden sie ihrem Land zum Auftakt des Klimagipfels zufügen. Dabei wollte sich Südafrika bei dieser Gelegenheit als modernes, anlegerfreundliches Land präsentieren. Wird das Pressegesetz im kommenden Jahr von der zweiten Parlamentskammer verabschiedet, was als sicher gilt, ist mehr als die Pressefreiheit in Gefahr. Beobachter sehen Südafrika schon auf dem Weg zu einer korrupten Autokratie nach dem Vorbild Simbabwes.

Doch immerhin hat Südafrikas Zivilgesellschaft die Gefahr für die junge Demokratie erkannt: Neben der parlamentarischen Opposition setzten sich auch die eigentlich mit dem ANC verbündeten Gewerkschaften sowie rund 350 weitere gesellschaftliche Gruppen gegen das Pressegesetz zur Wehr. Die Gewerkschaften wollen das Gesetz dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte dem Tagesspiegel, das Anliegen Südafrikas, „die Sicherheit des Landes zu schützen, ist selbstverständlich berechtigt“. Allerdings habe die Regierung „Sorge, dass der Gesetzentwurf einen erheblichen Eingriff in die Pressefreiheit bedeutet“. Die Regierung werde den weiteren Gang „aufmerksam beobachten“. Das Entwicklungsministerium verweigert einen Kommentar bisher, „weil das Gesetz noch nicht rechtskräftig“ sei.

Die Außenpolitikerin Marina Schuster (FDP) ist dagegen besorgt. „Das ist ein schwerer Rückschlag für die in der Verfassung garantierte Pressefreiheit in Südafrika“, sagte sie. Das Gesetz erschwere journalistische Recherchen. Sie werde beantragen, das Thema auf die Tagesordnung des Menschenrechtsausschusses zu setzen: „Ich gehe davon aus, dass es die Bundesregierung umgehend in direkten Gesprächen zum Thema macht.“ Der Außenpolitiker Stefan Liebich (Linke) findet das Pressegesetz ebenfalls „besorgniserregend“. Angesichts der milden Reaktionen auf das ungarische Pressegesetz, kann er allerdings nachvollziehen, dass sich die Bundesregierung im Fall Südafrika vorläufig noch zurückhält. mit deh

Zur Startseite