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Politik: Anders gläubig

Der Islam gewalttätig? Die Türkei ist erbost über den Papst – deutsche Muslime erinnern an die Kreuzzüge

Berlin/Ankara - Katholische Bischöfe und Spitzenpolitiker rühmen den Besuch des Papstes in Deutschland als gelungenes „Fest des Glaubens“ – in den deutschen muslimischen Verbänden sieht man das deutlich skeptischer. Und die Muslime in der Türkei, der der Papst im November einen Besuch abstatten will, hat er sogar regelrecht erbost. Während einer Vorlesung an der Universität Regensburg hatte Benedikt XVI. ohne erkennbare Distanzierung den oströmischen Kaiser Manuel II. zitiert, der dem Islam gewalttätige Missionierung Andersgläubiger vorwarf und erklärte, der Prophet Mohammed habe „nur Schlechtes und Inhumanes“ bewirkt. Außerdem nannte der Papst in Regensburg die Berufung auf die Vernunft eine Besonderheit des Christentums.

Der Chef des türkischen Religionsamts, Ali Bardakoglu sagte, er habe mit „Schrecken und Verwunderung“ von den Äußerungen des Papstes in Regensburg gelesen. Besserwisserei, Intoleranz und eine Kreuzfahrermentalität sprächen daraus. Er erwarte „keinen Nutzen“ vom Besuch eines Papstes, „der in dieser Weise über den heiligen Propheten des Islams denkt. Christliche Theologen betrachteten alle Dinge außerhalb der christlichen Welt als „des Teufels“, sagte Bardakoglu. Die Bekämpfung alles Außerchristlichen hielten sie für eine heilige Pflicht. Der Religionshüter, der als Chef des an das Ministerpräsidentenamt angebundenen staatlichen Religionsamtes Vorgesetzter aller muslimischen Geistlichen in der Türkei ist, ging noch weiter und zog seinerseits die Grundlagen des christlichen Glaubens in Zweifel: Wie es denn mit Vernunft zu erklären sei, fragte er, dass die Christen an drei Götter glaubten und Jesus als Sohn Gottes betrachteten.

Auch in Deutschland herrscht unter Muslimen mindestens Verwunderung über den Papst. „Da auch die Geschichte des Christentums blutig war – man denke nur an die Kreuzzüge oder die Zwangsbekehrungen von Juden und Muslimen in Spanien – fällt es mir schwer zu glauben, dass der Papst gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Christentum und Islam sieht“, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, dem Tagesspiegel. Auch Benedikts Worte über die Rolle der Vernunft in beiden Religionen nannte er unverständlich: „Gerade im Islam ist der Vernunftgedanke besonders präsent.“ Für die islamische Rechtsprechung sei der Gebrauch des eigenen Kopfes sogar eine ihrer Säulen; der Prophet empfehle, sich überall da auf das eigene Urteil zu verlassen, wo der Koran keine Hilfe biete.

Der Vorsitzende des Islamrats Ali Kizilkaya nannte die Aussagen des Papstes zur angeblichen Gewaltbereitschaft des Islam und zu seinem Verhältnis zur Vernunft „irritierend und höchst bedauerlich. Wir waren erfreut, als er zu Beginn des Besuchs an die Politik appellierte, den Dialog zu beschleunigen und zu verstärken. Dies ist allerdings kein positiver Beitrag dazu“, sagte Kizilkaya dem Tagesspiegel. „Wenn wir alle in die historische Kiste greifen wollten, dann wäre der Dialog kaum möglich.“

Auch Vertreter der christlichen Kirchen äußerten am Donnerstag Kritik. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Berlins Bischof Wolfgang Huber, mahnte für die Zukunft mehr Anstöße zur Ökumene an. Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ nannte das Schweigen zur Ökumene die größte Enttäuschung des Besuchs. Der kirchenkritische Theologe Hans Küng vermisste ebenfalls Reformsignale, attestierte dem Papst aber eine „Charmeoffensive ersten Ranges“ .

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