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Andrea Nahles: "Gutscheine gehen voll in den Konsum"

SPD-Vize Andrea Nahles über Milliardenprogramme für die Konjunktur und den Ideenwirrwarr in ihrer Partei.

Sind Sie zufrieden mit dem Bild, das die SPD in der Debatte um zusätzliche Konjunkturhilfen abgibt?



Es geht völlig in Ordnung, wenn wir mit Blick auf die nächsten Monate jetzt eine Debatte darüber führen, wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise Schaden von diesem Land und seiner Arbeitnehmerschaft abgewandt werden kann. Dabei darf es keine Denkverbote geben.

SPD-Chef Müntefering zieht Steuerschecks in Erwägung, Umweltminister Gabriel wünscht sich einen „New Deal“, Finanzminister Steinbrück lehnt weitere Konjunkturhilfen ab, und bei Kanzlerkandidat Steinmeier weiß man nicht so genau. Wie lange kann das so weitergehen?

Frau Merkel hält sich alle Optionen offen, sagt sie. Die SPD diskutiert konkrete Lösungsvorschläge! Das steht uns gut zu Gesicht. Was uns nicht gut zu Gesicht stünde, wäre Tatenlosigkeit. Wir werden um weitere Schritte zur Stabilisierung der Binnennachfrage und zur Ankurbelung der Investitionstätigkeit in unserem Lande nicht vorbeikommen.

Was schlagen Sie vor?

Ich plädiere für eine Zwei-Phasen-Strategie. Zuerst sollten wir die Binnennachfrage stabilisieren. Dies sollte schnell geschehen. In den letzten Jahren konnten wir als Exportweltmeister unsere chronisch schwache Binnenkonjunktur noch kompensieren. Ein Teil dieser Stärke im Export bricht uns in der Weltwirtschaftskrise aber weg. Wir müssen deshalb stärker als andere Länder den Konsum ankurbeln. Und das geht am Besten durch die Ausgabe von Konsumgutscheinen.

Wie sollen solche Gutscheine funktionieren?

Alle Bürgerinnen und Bürger, auch Kinder, sollten einmalig einen steuerfinanzierten Konsumgutschein erhalten.

In welcher Höhe?

Ich könnte mir 500 Euro für Erwachsene gut vorstellen und 250 Euro für Kinder. Wir sollten das Geld aber nicht einfach verschenken. Mit Ausnahme von Empfängern sozialer Transferleistungen müsste jeder Bürger zusätzlich 200 Euro aus eigener Kasse ausgeben, um nach seinem Einkauf 500 Euro gutgeschrieben zu bekommen. Auf diese Weise würde ein Teil der staatlichen Zuschüsse über die Mehrwertsteuer wieder in die öffentlichen Haushalte fließen.

Wie viele Milliarden würde Ihr Gutscheinmodell kosten?

Ohne Holz kein Feuer: Um den Abschwung wesentlich abzufedern, müssen wir auf jeden Fall 0,5 bis ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes einsetzen. Wir werden die Rezession dadurch nicht verhindern können, aber den Abschwung abflachen und die Rezession verkürzen und so Arbeitsplätze retten.

Wer garantiert Ihnen, dass die Gutscheine tatsächlich zusätzlichen Konsum auslösen?

Nach allen bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Programmen in anderen Ländern gehen solche Leistungen bei Beziehern von Bruttoeinkommen bis 3000 Euro voll in den Konsum. Wer mehr verdient, gibt immerhin noch mehr als die Hälfte aus.

Was schwebt Ihnen in Phase zwei vor?

Nach den kurzfristigen nationalen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung sollten wir uns auf ein europäisches Investitionsprogramm in den Bereichen Verkehr, Bildung, Energieeffizienz und Klimaschutz konzentrieren. Dabei kann man durchaus von einem „New Deal“ sprechen.

Die Regierung scheut ein groß angelegtes europäisches Programm wegen der hohen Kosten für Deutschland. Zu Unrecht?

Natürlich müssen alle Europäer ihren Beitrag leisten. Es kann nicht sein, dass die Rechnung vor allem der deutschen Regierung zugeschoben wird. Aber wir sollen schon aus eigenem Interesse nicht zu zögerlich sein. Deutschland ist viel stärker von internationalen Wirtschaftsbeziehungen abhängig als alle anderen EU-Mitglieder. Und wir haben angesichts der Haushaltskonsolidierung noch Reserven, um investieren zu können. Ich denke, wir sollten die Lokomotivfunktion für Europa annehmen.

Das Gespräch führte Stephan Haselberger.

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