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Angela Marquardt, SPD: "Es gibt eine Rebellion"

Angela Marquardt über die SPD in der Sackgasse, ein Linksbündnis im Bund und Lafontaines Arroganz.

Von Matthias Meisner

Frau Marquardt, ist die Linkspartei für die SPD schon salonfähig geworden?



Die Linke ist aus dem politischen Tagesgeschäft nicht wegzudenken, egal, wie sehr sich das andere wünschen. Aber es handelt sich um eine sehr heterogene Partei. Die Partei ist vor allem durch den unterschiedlichen Erfahrungshorizont ihrer alten und jungen Mitglieder und Funktionäre verschieden zwischen Ost und West.

Sie haben mehrfach Treffen angeschoben, bei denen es mindestens indirekt auch um ein Linksbündnis im Bund ging. Da waren dann von der Linken etwa Jan Korte und Halina Wawczyniak dabei, von der SPD Niels Annen und Frank Schwabe. Wo gab es denn die berühmten Schnittmengen?

In erster Linie wollten wir uns besser kennenlernen. Wir führen Gespräche mit einer längerfristigen Perspektive über 2009 hinaus. Uns geht es darum, zu verhindern, dass politische Konstellationen zum ersten Mal im Rahmen von Koalitionsverhandlungen diskutiert werden. Wir haben doch alle keinen Bock auf Schwarz-Gelb, aber wir wollen es nicht bei akademischen Diskussionen bewenden lassen. Deswegen müssen wir die Frage beantworten, in welcher politischen Konstellation welche Projekte realisierbar sind. Etwa beim Thema Innere Sicherheit und Internet verstehen wir uns weitgehend. Bei den strittigen Fragen – Stichworte: Afghanistan, Hartz IV, Rente mit 67 – will von uns Jüngeren keiner Kompromisse ausschließen. Wenn wir das tun, heißt das allerdings noch lange nicht, dass dies auch auf unsere Bundesparteien zutrifft. Wie weit Franz Müntefering in inhaltlichen Verhandlungen gehen würde, weiß ich nicht.

Gregor Gysi, der Fraktionschef der Linken, malt sich bereits ein Szenario für den 27. September aus: Die SPD bekommt eins auf die Mütze, die große Koalition wird fortgesetzt. Dann könnte es 2011, zur Mitte der Legislaturperiode, zur Rebellion in der SPD kommen, meint Gysi. Wie sieht Ihr Fahrplan aus?

Ich bin ja noch nicht lange in der SPD, doch bei meinen gemeinsamen Reisen mit Andrea Nahles und eigenen Veranstaltungen bekomme ich viel mit. Eine Rebellion im Sinne von „So kann es nicht weitergehen“ gibt es doch in der SPD schon länger. Meine Partei ist in der Sackgasse, und die Zukunftsfähigkeit entscheidet sich an unserer inhaltlichen Ausrichtung. Dieses Problem sollten wir lösen, und darüber wird auch gesprochen. Die Diskussionen in unserer Partei sind doch gleichzeitig Ausdruck für zum Teil ungeklärte gesellschaftliche Probleme.

Als ein Hindernis für ein Linksbündnis im Bund wird immer wieder Oskar Lafontaine genannt. Wie sehen Sie seine Rolle?

Die Diskussion in der SPD zur Person Lafontaine kann ich nachvollziehen. Er vermittelt den Eindruck, die SPD zu hassen. Letztlich aber wird er nicht der entscheidende Faktor sein. Die Linke ist lange genug im politischen Geschäft, um ein so interessantes Projekt nicht an einer Person scheitern zu lassen, wenn es darauf ankommt. Das sehen wir ja gerade in Thüringen.

Dort beharrt Ministerpräsidentenkandidat Bodo Ramelow nicht mehr darauf, das Amt unbedingt selbst zu bekommen.

Wenn beide Parteien zusammenarbeiten wollen, wird es so kommen, das gilt für Thüringen und letztlich auch für die Bundespolitik. Es gibt jetzt sowohl in Thüringen wie im Saarland die Chance auf einen Politikwechsel. Die Länder entscheiden autonom, aber es wäre falsch, diese Chance nicht zu nutzen, gerade wegen der damit verbundenen Zukunftsperspektive. Ich bin zu jung, um mich über Tabus zu definieren.

Sie selbst haben die längste Zeit Ihres politischen Lebens in der PDS verbracht. Haben Sie manchmal Heimweh?

Eine Partei ist für mich nicht Heimat, sondern eine Struktur, um Politik zu machen. Ich habe den Schritt, den ich gegangen bin, noch nie bereut. Es gibt Linke in der Linkspartei, aber die Linke ist keine linke Partei. Entscheidende Kritikpunkte, die ich an der PDS hatte, habe ich auch an der heutigen Linkspartei. Nehmen wir das verbreitete autoritäre und nationale Denken. Auch die politische Arroganz, die einige in der Linkspartei an den Tag legen, gefällt mir nicht. Die SPD als Hauptgegner zu betrachten, zeugt von mangelnder Differenzierungsfähigkeit und versperrt Strategiediskussionen über mögliche Zukunftsperspektiven. Ich meine da nicht nur Lafontaine.

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