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Politik: Angela Merkel in Berliner Schule

Für die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel beginnt ab heute die Pflicht des Wahlkampfs. Ihre erste Station war eine Berliner Haupt- und Realschule in Charlottenburg. (31.05.2005, 15:02 Uhr)

Berlin - Viel schwirrt ihr im Augenblick durch den Kopf. Welche Termine muss ich jetzt streichen? Wie wird der Wahlkampf organisiert? Doch an diesem Besuch am Morgen nach der Nominierung wollte Merkel festhalten. «Ehrensache, dass ich heute komme. Ich will nicht alle Vorurteile über Politiker bestätigen, die Zusagen geben und nicht einhalten», sagt sie lächelnd, ganz passend zur ihrem Wahlkampfmotto «Wir müssen ehrlich sein».

Rund 300 neugierige Schüler warten in der Oppenheim-Oberschule in Charlottenburg auf Merkel. Die Mädchen tragen hautenge Jeans, Jungen haben Baseballmützen auf den Köpfen. «Ist doch schön, wenn mal ein Promi hier ist», sagt ein Zehntklässler. Dass die CDU-Vorsitzende am Vortag zur ersten deutschen Kanzlerkandidatin bestimmt wurde, ist ihm «ganz egal». «Vielleicht kommen wir ja ins Fernsehen», sagte er stattdessen.

Offizieller Anlass für den Besuch ist die Werbung für Schulneubauten in Afghanistan. Merkel will ein Projekt von Cap- Anamur-Gründer Rupert Neudeck unterstützen. Mit dem Thema Afghanistan hat sich eine 10. Klasse der Schule beschäftigt - mit dem Bürgerkrieg, den Frauenrechten und den Taliban. Merkel wählt eine einfache Sprache und kurze Sätze, um ihre jungen Zuhörer zu erreichen. Sie will erklären, warum die CDU-Fraktion Schulprojekte in Afghanistan für wichtig hält.

«Wisst ihr, was eine Fraktion ist?», fragt sie in die Runde. Die Schüler schweigen, dann folgt ein zaghafter Vorschlag: «Vielleicht so etwas wie fraktionierte Destillation?», fragt ein Mädchen. «Das ist Chemie aus der 9. Klasse», pariert Merkel mit strenger Stimme.

Merkel bekommt einen Einblick in das heutige Denken von Jugendlichen - und deren Deutschlandbild in Zeiten von Hartz IV. «Warum helfen wir anderen Ländern, und Deutschland versinkt mehr und mehr?» will ein Schüler wissen. «Müssen die anderen Länder jetzt nicht mal was für uns tun, wo es uns so schlecht geht?» setzt ein Mädchen nach.

Nach dem Besuch eilt Merkel in die Fraktion zurück. Dort stapeln sich bereits die Anfragen - auch zum TV-Duell mit dem Kanzler. Dazu will sie aber nichts sagen, bevor nicht der Bundespräsident die Neuwahl festgesetzt hat. Wird sie noch einen Kommunikationsberater engagieren - wie es einst Stoiber nach seiner Nominierung tat? Noch so ein Problem.

Auch wie sie ihren Mann der Öffentlichkeit präsentiert, muss sie sich nun überlegen. «Mein Mann wird mich auch weiter unterstützen», sagt sie einstweilen in einem Interview. Die Wähler werden aber von ihr in diesem Wahlkampf, der in einer Schule begann, noch mehr erfahren wollen, auch über Merkel ganz persönlich. (tso)

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