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Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch bei US-Präsident Barack Obama im Mai 2014

© dpa/Bundesregierung/Bergmann

Angela Merkel in den USA: Frieden schaffen ohne Waffen

Bundeskanzlerin Angela Merkel reist zu US-Präsident Obama nach Washington. Ihre Mission: Die Amerikaner von Waffenlieferungen an die Ukraine abzubringen. Ihr stärkster Verbündeter sitzt dabei im Oval Office.

Die Amerikaner mögen hinter verschlossenen Türen wüten, die Ukrainer auf offener Bühne flehen: Angela Merkel hält ihren Kurs. Die Amerikaner, mahnte die deutsche Bundeskanzlerin bei der Münchner Sicherheitskonferenz, hätten auch beim Bau der Berliner Mauer still gehalten, anstatt die Waffen gegen Russland sprechen zu lassen.

Zu nichts anderem wird Merkel heute Barack Obama im  Weißen Haus eindringlich raten. Es dürfe keine Waffenlieferungen aus den USA an die Ukraine geben. Denn keine einzige zusätzliche Waffe werde den Krieg in der Ostukraine zugunsten der Regierung in Kiew drehen. Merkel wird den US-Präsidenten vom Stand ihrer Gespräche mit Moskau unterrichten.

Nach Lesart der Vize-Außenministerin Victora Nuland weiß der US-Präsident dann über „Merkels Moskau-Zeug“ Bescheid. Oder wie es noch hübscher ein anderer US-Delegierter bei der Sicherheitskonferenz in München formulierte, den „Moskau-Bullshit“. Diese Worte hat die "Bild"-Zeitung aus inneramerikanischen Besprechungen berichtet.

Demokratische Vordenker für Waffenlieferungen

Waffenbefürworterin Nuland gab dabei auch die Devise aus, man müsse die Europäer bekämpfen, mit Worten selbstverständlich. Und damit die dummen Europäer das nicht mit ihrem Pazifismus blockieren, möge man bitte nur noch von „Defensivwaffen“ sprechen, wenn die Rede auf potenzielle Waffenlieferungen kommt. Defensivwaffen wie Panzerabwehrraketen oder Aufklärungsdrohen. In der vergangenen Woche hieß das noch „lethal“, tödlich. Diese Sätze könnten in Washington noch ein diplomatisches Nachspiel haben. Nuland und Senatoren wie John McCain oder Bob Corker gehören zu den Wortführern derjenigen, die dem US-Präsidenten eine robustere Haltung im Ukraine-Konflikt nahelegen. Auch der noch zu bestätigende neue Verteidigungsminister Ashton Carter und die Generäle im Pentagon haben sich klar für Waffenlieferungen ausgesprochen.

Unterstützt werden sie von prominenten Denkern wie Strobe Talbott, dem Chef der Denkfabrik Brookings Institution, der in den neunziger Jahren selbst Vize-Außenminister war, sowie der früheren Vize-Verteidigungsministerin Michele Flournoy. Einflussreiche Mitglieder der demokratischen Think-Tank-Elite fordern mittlerweile Waffenlieferungen.

Bidens weiter Auslegungskorridor

Der Block hat einen prominenten Sprecher im Weißen Haus. Anders als bei der Kanzlerin konnte man bei US-Vize-Präsident Joe Biden schon an einen Krieg der Blöcke denken, als er in München vom Selbstverteidigungsrecht der Ukraine sprach und den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufforderte: „Verlassen Sie die Ukraine.“ Insidern gilt Biden ohnehin als Falke in der Ukraine-Frage. Was bei ihm die Formel „keine militärische Lösung“ wirklich bedeutet, die er in München auch aussprach, bewegt sich vermutlich in einem weiten Auslegungskorridor. Den stärksten Verbündeten dürfte die Kanzlerin im US-Präsidenten selbst finden. Seit die Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine vor einer Woche mit Vehemenz losgetreten wurde, hat sich Obama selbst nicht dazu geäußert. Der stellvertretende Sicherheitsberater Ben Rhodes, in solchen Fragen häufig moderates Sprachrohr des Präsidenten, sagte allerdings: „Wir denken nicht, dass die Antwort auf die Krise in der Ukraine darin liegt, einfach mehr Waffen ins Land zu pumpen.“ Die Antwort an Russland könne nicht „Wie du mir, so ich dir“ sein.

Durchbruch wie beim Syrien-Konflikt?

Die Diplomatie-Fraktion hofft jetzt inständig auf ein "Syrien-Momentum", wie ein Beteiligter sagt, darauf, dass Russland kurz vor einem militärischen Engagement der USA den Weg für eine Lösung freimacht. So wie Moskau im Herbst 2013 plötzlich der international überwachten Zerstörung der syrischen Chemiewaffen zustimmte, noch bevor Obama Luftangriffe befehlen konnte. Die Diplomatie-Fraktion hofft darauf, dass bei den Verhandlungen in Minsk (unter Beteiligung Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands) am Mittwoch etwas Substanzielles in Dokumentform erreicht werden kann.

Wie sich der US-Präsident entscheidet, wird auch davon abhängen, was Merkel ihm heute aus Moskau zu berichten hat. Denn sonst was? „Wir brauchen einen Plan B“, sagte ein Delegierter in München. Die Wahrheit könnte allerdings sein, dass es einfach keinen Plan B geben wird. Jenseits fortgesetzter Verhandlungen. Offiziell reist Merkel im Rahmen des deutschen G7-Vorsitzes in die US-Hauptstadt. Bei ihrem Besuch stehen auch wirtschaftspolitische Beratungen auf dem Programm. Ein Treffen mit Weltbankchef Jim Kim ist zudem eingeplant. Auch zu einem Frühstück mit hochrangigen Politikerinnen und Expertinnen lädt die Kanzlerin, noch bevor sie mit Obama spricht. Auch dort wird sie aber wohl vor allem von ihrem „Moskau-Zeugs“ berichten.

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