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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), aufgenommen am 17.08.2007 vor dem Eqi Gletscher bei Ilulissat in Grönland.

© Michael Kappeler/dpa

Angela Merkel und der Klimawandel: Klimakanzlerin außer Dienst

Der Lack ist ab. 2007 hatte Angela Merkel ihren Klima-Moment. Aber jetzt hat sie Angst vor und um die Autoindustrie - und lässt ihre destruktiven Fraktions-Vizes einfach machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Es war einmal eine Klimakanzlerin. Die hatte 2007 als EU-Ratspräsidentin und Präsidentin der damaligen G-8-Gruppe der wichtigsten Industriestaaten ihren großen Auftritt. Sie verpflichtete die Europäische Union auf das 20-20-20-Ziel: bis 2020 den Treibhausgasausstoß um 20 Prozent zu senken, den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu verbessern. Seither ist der Lack etwas abgeblättert.

Zwar hat Angela Merkel angekündigt, im kommenden Jahr die deutsche Präsidentschaft der G-20-Gruppe klimapolitisch nutzen zu wollen. Doch zu Hause bringt Umweltministerin Barbara Hendricks seit bald einem Jahr keinen ernst zu nehmenden Klimaschutzplan 2050 durchs Kabinett. Und das, obwohl die Kanzlerin beim G-7-Gipfel in Elmau im Sommer gut vorgelegt hatte: Sie handelte den sieben Staatschefs ab, ihre Volkswirtschaften bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts zu „dekarbonisieren“. Dennoch lässt Merkel die innenpolitische Debatte laufen – und stoppt die Fraktionsvizes der Union nicht, die den Plan für eine Wiederauferstehung des Sozialismus halten.

Hendricks muss nun ohne einen deutschen Beitrag zum Gelingen des Pariser Klimaabkommens zum Gipfel nach Marrakesch reisen, der am kommenden Montag beginnt. Im Verlauf der Ressortabstimmungen haben ihre Ministerkollegen den Klimaschutzplan inhaltlich immer weiter entleert. Hendricks kämpft nun darum, zumindest einen Fahrplan bis 2030 in dem Dokument zu verankern. Doch die Verhandlungen werden über den Klimagipfel hinausgehen.

Merkel kämpft für das Klima - aber nur international

Warum also ist Merkel der Klimawandel und die Politik dagegen gerade nicht so wichtig? Oder besser: Warum entwickelt sie dafür nur noch auf der internationalen Bühne ihre alte Leidenschaft? Beim Petersberger Klimadialog im Sommer in Berlin versprach Merkel eine Verdoppelung der deutschen Finanzzusagen für den Klimaschutz und für die Anpassung an die unvermeidbaren Klimaschäden in Entwicklungsländern. Zehn Prozent der jährlich versprochenen Summe von 100 Milliarden Euro werde Deutschland schultern, versprach sie. Das ist schon was. Aber die Glaubwürdigkeit der Industrieländer entscheidet sich eben auch an ihrem konkreten Tun zu Hause. Und da schwächelt Deutschland. Von der stetigen Steigerung des Klima-Ehrgeizes, den das Pariser Abkommen verlangt, das am heutigen Freitag in Kraft tritt, ist in der deutschen Klimapolitik nichts zu sehen.

Der tiefere Grund für Merkels Zurückhaltung dürften 440 Milliarden Euro Jahresumsatz und 790 000 Beschäftigte des autoindustriellen Komplexes in Deutschland sein. Wenn die Wirtschaft vom Treibhausgasausstoß befreit werden soll, kann das nicht ohne einen Komplettumbau der Autoindustrie und ihrer Zulieferindustrien gelingen. Und es ist nicht nur die Klimapolitik, die diese deutsche Schlüsselindustrie zu Veränderungen zwingt. Auch Internetschmieden können Elektroautos bauen, die womöglich fahrerlos durch die Gegend kurven. Die Wertschöpfung, die bisher aus dem Verbrennungsmotor kommt, könnte in Zukunft komplett an den deutschen Dieselfreunden vorbeigehen. Da will Merkel nicht noch mehr Druck aufbauen. Aber einen Gefallen tut sie der Industrie damit nicht. Wer glaubt, es könnte alles beim Alten bleiben, wird vom Pariser Abkommen, Chinas Zwang zu besserer Luft in den Städten und Tesla überholt.

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