zum Hauptinhalt
Angela Merkel und Alexis Tsipras müssen darauf achten, dass ihre eigenen Prinzipien bei einer möglichen Lösung im Schuldenstreit gewahrt bleiben.

© John Macdougall/AFP

Angela Merkel und die Griechenland-Krise: Das Schicksal der Kanzlerin ist mit Griechenlands Zukunft verbunden

Angela Merkel hat gewiss kein Interesse daran, im Schuldenstreit mit Griechenland ihr Ansehen in der Welt und ihre politische Zukunft aufs Spiel zu setzen. Für die Kanzlerin geht es in erster Linie darum, dass Athen den Reformweg beschreitet. Grexit? Besser nicht! Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Man mag von den Prinzipien Merkel’scher Innenpolitik halten, was man will. Wer die Kanzlerin dabei beobachtet hat, wie sie die Deutschen vor ein paar Jahren aus der internationalen Finanzkrise rausgepaukt, später Europa gegen die Wetten der Börsianer verteidigt hat und nun mit den widerspenstigen Griechen ringt, der kommt nicht um eine gewisse Achtung herum.

Auch jetzt wieder: Woche für Woche Verhandlungen mit dem griechischen Regierungschef, immer und immer wieder Verzögerungen, Rückschläge. Und, nicht zu vergessen, die täglichen Drohungen ihrer eigenen Partei, ja keine Kompromisse einzugehen, die die Deutschen noch mehr Geld kosten und den Griechen die Reformen erleichtern könnten. "Wo ein Wille ist, ist ein Weg": Diese Weisheit hört man Angela Merkel neuerdings häufiger sagen, und es klingt manchmal schon wie ein Hilferuf: Herr, lass Nerven regnen!

Zum Schaden der Kanzlerin

Tatsächlich darf man davon ausgehen, dass Angela Merkel kein Interesse daran hat, ihr Ansehen in der Welt und ihre politische Zukunft aufs Spiel zu setzen. Niemand, von den griechischen Bürgern einmal abgesehen, würde bei einem "Grexit" mehr Schaden nehmen als die deutsche Kanzlerin. Ungeachtet aller Beteuerungen, dass nicht Deutschland sondern die EU, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds mit Athen verhandeln.

Wahr ist: Das ist Merkels Geschäft. Was aber auch bedeutet: Chaos und Hunger in Athen gingen im Pleitefall auf ihr Konto, jede Domino-Pleite einer Bank in Spanien wäre ihre. Und wegen der Kosten für die dann abzuschreibenden Hilfsmilliarden und die erforderlichen Notprogramme würde bestimmt keiner der heute noch so wacker nach Prinzipientreue schreienden CDU-Abgeordneten Merkels Standhaftigkeit verteidigen.

Am Ende steht bestenfalls ein Kompromiss

Das Schicksal dieser Kanzlerin ist – so oder so – mit der Zukunft Griechenlands verbunden. Totengräberin Europas kann über sie in den Geschichtsbüchern stehen oder Kanzlerin, die den Europäern den Schlendrian ausgetrieben hat. Zu erwarten ist, was sonst: im besten Fall ein Kompromiss. Für alles andere sind die Fronten längst zu verhärtet und die Zeit zu kurz: In zwei Wochen muss eine Lösung gefunden sein, sonst rutscht Athen unweigerlich in die Pleite.

Zur Ironie des Augenblicks gehört, dass beide Seiten, Merkel und der griechische Regierungschef Alexis Tsipras, an einem Ergebnis interessiert sein müssen, bei dem die jeweils eigenen Prinzipien zu erkennen bleiben und zugleich schmerzliche Zugeständnisse gemacht werden. Wobei die Kanzlerin genug Erfahrung hat, um zu wissen, dass Tsipras’ Probleme, ein Verhandlungsergebnis in Athen zu verteidigen, angesichts der Unberechenbarkeit seiner Anhänger weitaus größer sind als ihre in Berlin.

Für Merkel dagegen geht es in erster Linie darum, dass Athen einen Reformweg beschreitet, mit dem Währungsfonds ein Kontrolleur dafür im Boot bleibt und damit Zeit gewonnen und ein unkalkulierbares Austritts-Szenario vermieden wird.

Mag der Ärger über die Sturheit der Griechen in Merkels Union auch heute noch groß sein und die Drohung mit einem konsequenten "Nein" zu faulen Kompromissen laut. Wenn die Abstimmungszettel über weitere Hilfsmittel oder eine Verlängerung des aktuellen Hilfspaketes im Bundestag erst verteilt werden, wird Merkel auf den Selbsterhaltungstrieb ihrer Fraktion vertrauen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false